: Augenwischerei und Beschönigung
■ Heftige Kritik an offiziellem Bericht über Sikh–Massaker nach Gandhi–Ermordung in Indien Untersuchung unter Ausschluß der Öffentlichkeit / Kongreß–Partei frei von Schuld?
Neu Delhi (dpa) - Der Bericht der sogenannten Misra–Kommission über die Hintergründe der furchtbaren Massaker an Sikhs nach der Ermordung der indischen Premierministerin Indira Gandhi ist bei den meisten indischen Oppositionsparteien und dem größten Teil der nationalen Presse auf heftigste Kritik gestoßen. Der Bericht der Ein–Mann– Kommission des Richters Ranganath Misra, der dem Parlament am Montag vorgelegt wurde, hatte die regierende Kongreß–Partei von jeder direkten Schuld an den blutigen Übergriffen freigesprochen, bei denen in den Tagen nach dem Attentat allein in Neu Delhi mindestens 2.400 Sikhs getötet wurden. Stattdessen belastete Misra in dem 180–Seiten–Bericht vor allem die Polizei der Hauptstadt. Indische Tageszeitungen sprachen daraufhin am Mittwoch von „Au genwischerei“, und führende Sikh–Politiker nannten das Ergebnis der 1985 eingesetzten Kommission „Travestie eines juristischen Verfahrens“. Die offizielle Untersuchung wurde erst Anfang 1986 aufgenommen und unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt. Bürgerrechtler und die großen nationalen Zeitungen hatten in den Tagen der Unruhen immer wieder von führenden Kongreß–Politikern berichtet, die vor allem Bewohner der Elendsviertel zu Übergriffen gegen Sikhs aufgefordert und sie zum Teil sogar zu den Häusern einiger prominenter Sikh–Geschäftsleute geführt hatten. Misra nannte in seinem Bericht zwar 19 unbedeutende Kongreß– Mitglieder namentlich, die erwarteten Namen waren jedoch nicht darunter. Und obwohl Bürgerrechtler insgesamt 2.000 Personen wegen ihrer Beteiligung an den Morden anzeigten, ist bis heute keiner von ihnen verurteilt. Noch immer leben dagegen Hunderte von Witwen und Kindern der Ermordeten in Lagern, und die Frage der Entschädigung ist noch nicht gelöst.
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