Aufschwung am Zoo: „Der Berliner kann sich freuen“
Nach der Wende zog der Glamour an die Friedrichstraße, inzwischen holt die City-West auf. Guido Herrmann, Geschäftsführer des Friedrichstadtpalasts, fordert einen mutigeren Städtebau.
taz: Herr Herrmann, wann waren Sie zuletzt am Kurfürstendamm?
Guido Herrmann: Das war am vergangenen Samstag. Ich wohne auch dort in der Nähe.
Dann bekommen Sie den Aufschwung der City-West ganz hautnah mit.
Mindestens 250 Euro kostet der Blick auf den neuen Westen. Soviel muss man als Einstiegspreis für ein Doppelzimmer im Waldorf-Astoria berappen, der 118 Meter hohen Luxusherberge im neuen Zoofenster. Etwas billiger wird es dann 2016 werden. Dann öffnet das Motel One Upper West: Mit 580 Zimmern ist es das größte Haus der Kette. Allerdings wird man im ebenfalls 118 Meter hohen Turm auf dem Gelände des ehemaligen Schimmelpfeng-Hauses pro Zimmer nicht so viel Platz haben wie im Waldorf-Astoria. Das hat nämlich nur 232 Zimmer und Suiten.
Die City-West boomt. Sichtbarer Ausdruck sind die neuen Bauten. Neben dem Zoofenster wird gerade das Bikini-Haus umgebaut. Ende des Jahres wird das Gerüst weg sein. Wenn dann auch noch die Umhüllung der Gedächtniskirche fällt, werden die Feuilletons den neuen Breitscheidplatz als Neuerfindung des Berliner Westens feiern. Wieder einmal hat sich das alte Zentrum Westberlins damit am Schopf aus der Versenkung geholt. Das Gleiche gilt für das Haus Cumberland, das nun wieder zu einer der feinen Adressen des Kudamms geworden ist.
Als an der Friedrichstraße 1996 die Galeries Lafayettes eröffnet wurden, war der Kudamm als Boulettenboulevard verschrien. Die Zukunft spiele wieder in der Mitte, hieß es. Auch da waren es die Bauprojekte, vor allem die Friedrichstadtpassagen, die vom Boom kündeten. Inzwischen aber ziehen viele Luxusgeschäfte an den Kudamm. Von 300 neuen Läden im Jahr spricht der Vorstand der AG City-West, Gottfried Kupsch.
Nur an einer Stelle tritt der Kudamm auf der Stelle: Bereits den zweiten Entwurf für das Kudamm-Karree hat der Investor Ballymore Anfang des Jahres vorgestellt. Ob der Chipperfield-Entwurf realisiert wird, weiß keiner. Die Freunde des Kudamm-Bühnen werden bestimmt wieder mobilmachen.
In den letzten zwanzig Jahren war da wenig Dynamik. Jetzt kommt alles fast gleichzeitig: Das Waldorf Astoria, das Bikini-Haus, das Haus Cumberland. Ich bin gespannt, welches Gesicht die City-West am Ende haben wird.
Freuen Sie sich da uneingeschränkt?
Ja. Als Berliner kann man sich da nur freuen.
Die Friedrichstraße könnte die Verliererin sein.
Das sehe ich nicht so. Wenn ich mich hier rund um den Friedrichstadtpalast umschaue, stehen da mehr Kräne als in der City-West: Leipziger Platz, Freiberger Gelände, Museumsinsel, Humboldt-Forum. Allerdings ist hier gerade zu viel Baustelle. Aber das muss ja nicht so bleiben. Wir befinden uns auf einer Zwischenetappe, vielleicht ist es sogar der Beginn einer neuen Entwicklung.
Die Friedrichstraße sollte nach der Wende das Erbe der goldenen Zwanziger in Berlin antreten, auch als Konkurrenz zur City-West. Ist das noch ein zeitgemäßer Anspruch?
Wir reden inzwischen nicht mehr ausschließlich über die Friedrichstraße. Damals war die Friedrichstraße der Impuls …
Die alten Friedrichstadtpassagen wurden abgerissen, die neuen gebaut, mit den Galeries Lafayette als Leuchtturm.
Der Nukleus der Veränderung ging von diesem mittleren Abschnitt der Friedrichstraße aus. Das hat sich verändert. Das nehmen wir auch als Interessengemeinschaft Friedrichstraße war. Heute geht es um ein viel größeres Gebiet. Wie gestaltet sich die Mitte? Das ist die Frage. Die reicht über Checkpoint Charlie und Oranienburger Tor hinaus.
Damit hat sich auch die IG Friedrichstraße geändert.
Wir sind heute keine Wirtschaftsgemeinschaft mehr, sondern betreiben Standortpolitik. Das Gebiet reicht von Kreuzberg bis zur Chausseestraße und vom Brandenburger Tor bis zum Schlossplatz. Entsprechend größer und breiter ist unsere Mitgliederschaft.
Wie ist die Außenwahrnehmung? Zum Ku’damm gehören die Seitenstraßen. Die Friedrichstraße ist eine reine Einkaufsstraße.
Ich glaube, das Gebiet rund um die Friedrichstraße hat eine tolle Mischung. Wir definieren ein größeres Gebiet. Zu dem gehören Handel, bundesweite Einrichtung, Theater. Wie sind hier im East-End mit der größten Theaterdichte in Deutschland. Wir haben Gastronomie und Wohnen. Diese Mischung müssen wir erhalten.
Wie bewerten Sie den Bau der U 5, der bis 2019 dauern soll?
Das ist aber nicht nur die U-Bahn. Zu den Baustellen zählt auch das ehemalige Wertheim-Areal am Leipziger Platz. Das schließt klammerartig eine Lücke zwischen Friedrichstraße, Leipziger Straße, Leipziger Platz und Potsdamer Platz. Der Bau des Humboldt-Forums gehört natürlich auch dazu. Bislang ist die eigentliche Mitte durch diese Baustellen von der sie umgebenden Stadt noch etwas getrennt. Wenn das nicht mehr so ist, wird es sicherlich neue Impulse, neue Laufwege, neue Wahrnehmungen geben.
Das Tacheles ist inzwischen geräumt. Welche Rolle spielte die Szene, das kreative Berlin für die IG Friedrichstraße?
Mitte ist bunt, und Mitte soll auch bunt bleiben. Das Tacheles hat für die Entwicklung des Bereichs zwischen Hackeschem Markt und nördlicher Friedrichstraße eine große Rolle gespielt. Nun hat sich das kreative Potenzial eher an der südlichen Friedrichstraße angesiedelt.
Um da hinzukommen, muss eine weitere Baustelle, zumindest im symbolischen Sinne, überwunden werden: der Checkpoint Charlie.
Ein Ärgernis. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer gibt es dort noch immer Budenzauber. Und das an einem international so bedeutenden Gedenkort. Die einzigen positiven Impulse sind die Rotunde von Assisi und die Black-Box zur Geschichte des Kalten Krieges.
Man hat den Eindruck, die Friedrichstraße endet am Checkpoint Charlie.
Der ganze südliche Bereich muss neu definiert werden, das geht hin bis zum Mehringplatz. Der darf nicht länger Sackgasse sein. Da müssen mutige städtebauliche Lösungen her.
Die City-West hat ein Regionalmanagement, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind: Geschäftsleute, Bezirk, Senat.
Das streben wir auch für die Friedrichstraße und die Mitte an. Das Problem war bislang nur, dass wir hier noch ein paar Akteure mehr haben, zum Beispiel den Bund. Aber alle wissen inzwischen, dass man an einem Strang ziehen muss.
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