Aufnahmeprogramm für AfghanInnen: Verwirrung um Aufnahmezusagen
Außenminister Wadephul redet von Rechtsverbindlichkeit, ganz anders seine CDU-Kollegen. 2.500 Afghan*innen warten in Pakistan auf die Einreiseerlaubnis.

Wadephuls Äußerung war deshalb so aufsehenerregend, weil die Union bislang kaum eine Möglichkeit ausließ, Position gegen die Evakuierungsflüge für Afghan*innen zu beziehen. Sofort nach Amtsantritt der schwarz-roten Regierung von CDU-Kanzler Friedrich Merz wurden sie gestoppt. Im April sprach sich der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, dafür aus, auch bereits gegebene Aufnahmezusagen auf den Prüfstand zu stellen – mit dem Ziel, diese rückgängig zu machen.
Und erst am Dienstag hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ stolz verkündet: Es sei gut, „dass die Flüge aus Afghanistan, bei denen es am Ende nicht mehr um Ortskräfte ging, sondern um eine Zuwanderung, die über NGOs gesteuert wurde, dass das gestoppt wird“.
Hat Wadephul das alles am Mittwoch abgeräumt? Oder hat der Außenminister eine Ankündigung gemacht, die mit den anderen Ministerien und insbesondere Söders CSU nicht abgesprochen war?
Grüne und Teile der SPD nehmen die Zusage auf
Abgeordnete der Grünen und auch aus der Fraktion der mitregierenden SPD kündigten am Donnerstag jedenfalls an, Wadephul beim Wort zu nehmen. Hakan Demir von den Sozialdemokraten sagte der taz: „Ich freue mich, dass Außenminister Wadephul klarstellt, dass Aufnahmezusagen gehalten werden.“ Es brauche nun einen verlässlichen Zeitplan. Es sei stets die Position seiner Partei gewesen, Menschen mit gültigen Aufnahmezusagen schnellstmöglich nach Deutschland zu holen, ehe das Programm abgeschlossen werde. „Es ist traurig genug, dass über diesen Weg lange Unklarheit bestand.“
Die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir sagte der taz, sie gehe davon aus, „dass die Regierung rechtlich verbindliche Aufnahmezusagen einhält“. Sie war es, die Wadephul bei der Fragestunde im Bundestag auf die ausstehenden Evakuierungen angesprochen hatte. Sie gehe davon aus, dass Wadephuls Äußerung die Position der gesamten Regierung wiedergebe, sagte Gambir weiter. „Ich erwarte, dass sie bald ausgeflogen werden. Deutschland muss seiner Verantwortung gerecht werden.“
Sollte die Bundesregierung tatsächlich Ernst machen, hätte das Folgen für bis zu 2.500 Afghan*innen, die in der Vergangenheit eine Aufnahmezusage bekamen, nun aber noch in Pakistan ausharren. Dort haben sie bereits umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen, allein für die Reise zur deutschen Botschaft in Islamabad mussten sich viele von ihnen hoch verschulden.
Das Aufnahmeprogramm ist von 2022
Die Ampel hatte das Aufnahmeprogramm im Oktober 2022, ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban, eingerichtet, um besonders gefährdete Menschen aufzunehmen, darunter Aktivist*innen, Frauen in prekärer Lebenslage oder queere Personen.
Ursprünglich sollten bis zu 45.000 Personen aufgenommen werden, bis April wurden jedoch nur 1.400 Menschen nach Deutschland gebracht und weitere 2.500 bislang unerfüllte Aufnahmezusagen ausgesprochen. Das Programm gilt deshalb weithin als gescheitert.
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