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Aufnahmeprogramm für AfghanInnenVerwirrung um Aufnahmezusagen

Außenminister Wadephul redet von Rechtsverbindlichkeit, ganz anders seine CDU-Kollegen. 2.500 Af­gha­n*in­nen warten in Pakistan auf die Einreiseerlaubnis.

Der ohnehin zähe Fluss von Evaluierungsflügen hat eine ungewisse Zukunft Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin taz | Die Aussagen der CDU-Politiker zum Bundesaufnahmeprogramm für Af­gha­n*in­nen verwirren. Am Mittwoch hatte Bundesaußenminister Johann Wadephul im Bundestag überraschend gesagt, man wolle Aufnahmezusagen für afghanische Men­schen­recht­le­r*in­nen „selbstverständlich“ einhalten. Doch am Tag darauf wollten das auf taz-Anfrage weder Wadephuls Ministerium noch das ebenfalls zuständige Bundesinnenministerium bestätigen.

Wadephuls Äußerung war deshalb so aufsehenerregend, weil die Union bislang kaum eine Möglichkeit ausließ, Position gegen die Evakuierungsflüge für Af­gha­n*in­nen zu beziehen. Sofort nach Amtsantritt der schwarz-roten Regierung von CDU-Kanzler Friedrich Merz wurden sie gestoppt. Im April sprach sich der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, dafür aus, auch bereits gegebene Aufnahmezusagen auf den Prüfstand zu stellen – mit dem Ziel, diese rückgängig zu machen.

Und erst am Dienstag hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ stolz verkündet: Es sei gut, „dass die Flüge aus Afghanistan, bei denen es am Ende nicht mehr um Ortskräfte ging, sondern um eine Zuwanderung, die über NGOs gesteuert wurde, dass das gestoppt wird“.

Hat Wadephul das alles am Mittwoch abgeräumt? Oder hat der Außenminister eine Ankündigung gemacht, die mit den anderen Ministerien und insbesondere Söders CSU nicht abgesprochen war?

Grüne und Teile der SPD nehmen die Zusage auf

Abgeordnete der Grünen und auch aus der Fraktion der mitregierenden SPD kündigten am Donnerstag jedenfalls an, Wadephul beim Wort zu nehmen. Hakan Demir von den Sozialdemokraten sagte der taz: „Ich freue mich, dass Außenminister Wadephul klarstellt, dass Aufnahmezusagen gehalten werden.“ Es brauche nun einen verlässlichen Zeitplan. Es sei stets die Position seiner Partei gewesen, Menschen mit gültigen Aufnahmezusagen schnellstmöglich nach Deutschland zu holen, ehe das Programm abgeschlossen werde. „Es ist traurig genug, dass über diesen Weg lange Unklarheit bestand.“

Die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir sagte der taz, sie gehe davon aus, „dass die Regierung rechtlich verbindliche Aufnahmezusagen einhält“. Sie war es, die Wadephul bei der Fragestunde im Bundestag auf die ausstehenden Evakuierungen angesprochen hatte. Sie gehe davon aus, dass Wadephuls Äußerung die Position der gesamten Regierung wiedergebe, sagte Gambir weiter. „Ich erwarte, dass sie bald ausgeflogen werden. Deutschland muss seiner Verantwortung gerecht werden.“

Sollte die Bundesregierung tatsächlich Ernst machen, hätte das Folgen für bis zu 2.500 Af­gha­n*in­nen, die in der Vergangenheit eine Aufnahmezusage bekamen, nun aber noch in Pakistan ausharren. Dort haben sie bereits umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen, allein für die Reise zur deutschen Botschaft in Islamabad mussten sich viele von ihnen hoch verschulden.

Das Aufnahmeprogramm ist von 2022

Die Ampel hatte das Aufnahmeprogramm im Oktober 2022, ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban, eingerichtet, um besonders gefährdete Menschen aufzunehmen, darunter Aktivist*innen, Frauen in prekärer Lebenslage oder queere Personen.

Ursprünglich sollten bis zu 45.000 Personen aufgenommen werden, bis April wurden jedoch nur 1.400 Menschen nach Deutschland gebracht und weitere 2.500 bislang unerfüllte Aufnahmezusagen ausgesprochen. Das Programm gilt deshalb weithin als gescheitert.

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8 Kommentare

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  • Wir werden wohl nie erfahren, wie viele von den im Stich gelassenen Menschen inziwschen von den Taliban gefoltert, vergewaltigt und ermordet wurden bzw. noch werden.

    Ich erinnere mich an die große Frage, warum unsere Vorfahren den Faschismus nicht verhindert haben. Wollen wir allen Ernstes zulassen, dass unsere Nachfahren uns dieselbe Frage stellen müssen?

    Ich bin entsetzt darüber. Nur 80 Jahre nach dem schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zeigen die Deutschen, dass sie absolut NICHTS aus der eigenen Geschichte gelernt haben und nur 80 Jahre später eine deutsche Regierung wieder so einen Menschenhass und so eine Menschenverachtung an den Tag legt.

    Was an "NIE WIEDER!" ist so schwer zu verstehen?

    Wegen der deutschen Verbrechen wurden die Menschenrechte erklärt und jetzt sch***t eine deutsche Regierung wieder darauf und schert sich einen Dreck um Menschenleben. Es ist eine moralische Bankrotterklärung und wer das auch noch unterstützt und befürwortet sollte sich in Grund und Boden schämen und nie mehr von christlichen Werten sprechen!

  • Ich sehe da keinen Widerspruch bei der Aussage. Da unter den verbliebenden 2500 mit Zusagen wahrscheinlich nur sehr wenige Menschenrechtler*innen sein sollten, ist das ja kein großes Problem.

  • Eben auf Phoenix aus dem Bundestagssitzung:

    Clara Bünger berichtet vom Schicksal der Familie eines nach Deutschland geflüchteten. Seine Frau und zwei Kinder durften aufgrund der Menschen verachtenden Entscheidung, den Familiennachzug "auszusetzen", nicht nach Deutschland kommen. Als Frau Bünger vom Ertrinken der Familie berichtete, die NATÜRLICH trotzdem versucht hat zu fliehen, war kurz ein gewisser Jens Spahn im Bild, der sich bei den Worten ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

    Es ist erschreckend, wie offen Spahn und die anderen xUler ihren Menschenhass inzwischen zeigen.

    Können die xxUler eigentlich überhaupt nicht logisch nachdenken???

    Es ist doch eine LOGISCHE Folge, dass die Menschen auf die gefährlichen Fluchtruten gehen, wenn ihnen eine sichere Einreise versagt wird! Es ist auch LOGISCH, dass die Integration der Menschen, die hier von ihrer Familie getrennt sind und Angst um diese haben, erheblich erschwert wird und es ist auch LOGISCH, dass die Hinterbliebenen dadurch schwer traumatisiert werden, was dann zu Überreaktionen führen kann.

    Die xxU rollt den Nazis den Roten Teppich aus und ich frage mich nur noch: Absicht oder extremistische Dummheit?

    Ich muss kot***!

  • So geht es in anderen Staaten ohne viel Federlesen und Proteste zu:



    "Pakistan expels tens of thousands of Afghans"



    www.bbc.co.uk/news...icles/c74z19pl7wgo

    In Deutschland kommt leider die eigene Staatsräson immer zuletzt.

    • @Felix Krull:

      Es zeigt viel über den Charakter eines Menschen auf, wenn dieser fordert, Menschen ohne "viel Federlesen und Proteste" in ein Land zu deportieren, in dem diesen Menschen Folter, Vergewaltigung und Ermordung drohen.

  • Es eilt im Übrigen - soweit ich es verfolgt habe -, weil Pakistan schon dabei ist, diese Menschen nach Afghanistan abzuschieben, da die Visa für die Wartezeit ablaufen.



    .



    Es geht auch um Ortskräfte und ihre Angehörigen, die die Bundeswehr unterstützt haben, Mitarbeiter von NGOs und Medien, und nun als Kollaborateure in Lebensgefahr sind.



    .



    Unter Baerbock und Faeser wurde die Sache verschleppt, um Rechten keine "Munition" zu liefern: Deutschland präsentiert sich in dieser Sache parteiübergreifend von einer bodenlosen Schäbigkeit und Miesigkeit, die ihresgleichen sucht - es wäre schön, wenn Wadephul bei seiner eigentlich selbstverständlichen Erklärung bliebe und zeitnah Taten folgen ließe!

  • Hoffentlich werden die Visa und Lebensläufe dieser Menschen tatsächlich geprüft, und es kommt nicht zu solchen Pannen wie sie die Spiegel-Recherche aufgedeckt hat....

    • @Sandra Becker:

      Ja, wird endlich Zeit! Ich bin der Meinung, dass dies schon längst hätte geschehen müssen und halte irgendwelche "Pannen" längst für Vorsatz. Inzwischen war über vier Jahre Zeit, diese Menschen in Sicherheit zu bringen, die sich auf die VERSPRECHEN der deutschen Politiker und Politikerinnen verlassen haben.

      Hat eigentlich irgendjemand aus den Reihen der Verantwortlichen mal darüber nachgedacht, was das für mögliche zukünftige Hilfseinsätze der Bundeswehr in anderen Ländern bedeutet? Einheimische Hilfskräfte werden die mit Sicherheit nicht wieder finden, da diese befürchten müssten, genauso im Stich gelassen zu werden wie die Hilfskräfte aus Afghanistan.