Aufklärung Jenaer-Zwickauer Terrorzelle: Sächsische Gemütlichkeit
Am Montag tagt der NSU-Untersuchungsausschuss in Dresden und will endlich erste Beschlüsse fassen. Doch aufs Tempo drückt nur die Opposition.
DRESDEN taz | Glühender Aufklärungseifer stand Patrick Schreiber, dem 32-jährigen Vorsitzenden des sächsischen NSU-Untersuchungsausschusses, nicht gerade im Gesicht geschrieben. „Man wird sehen“ – das war die häufigste Redewendung des sichtlich genervten CDU-Landtagsabgeordneten, als ihm zur konstituierenden Sitzung am 17. April die Mikrofone vorgehalten wurden. Der Auftakt des Ausschusses, der sächsisches Behördenversagen bei der Verfolgung der Jenaer-Zwickauer Terrorzelle untersuchen soll, ist schleppend. Am Montag will er endlich erste Beschlüsse fassen, welche Zeugen geladen, welche Akten angefordert werden.
Der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) werden zehn Morde, zahlreiche Banküberfälle und Sprengstoffanschläge vorgeworfen. Die Regierungsparteien CDU und FDP hatten zunächst versucht, die sächsische Ergänzung zu den Untersuchungsausschüssen in Thüringen und im Bundestag zu verhindern. Der NPD-Vertreter im Ausschuss käme dann an interne Informationen heran, lautete die nach Oppositionsmeinung vorgeschobene Begründung.
Die konstituierende Sitzung sechs Wochen nach dem Einsetzungsbeschluss kam erst nach massivem Drängen der Opposition zustande. Die Unionsfraktion sah sich zuvor lange nicht in der Lage, ihre Vertreter und den Vorsitzenden zu benennen. Parallel dazu lehnte die Staatsregierung eine Unterstützung ab. Ihr Beauftragter beim Bundestagsausschuss darf den sächsischen Ausschuss nicht informieren.
„Günther-Jauch-Show“
Überschattet wird der Auftakt auch von Bedenken des Juristische Diensts des Landtags. So steht derzeit in Frage, ob drei Anträge der regierungstragenden Fraktionen dem Einsetzungsbeschluss für den Ausschusses entsprechen. Mit einem Antrag fordern CDU und FDP, allgemein die Entwicklung des Rechtsextremismus zu beleuchten. Mit ihren beiden anderen Anträgen wollen sie dafür sorgen, den Juristen Professor Amadeus Wolff von der Viadrina Frankfurt und den umstrittenen Extremismusexperten Professor Eckhard Jesse aus Chemnitz als Zeugen zu laden. Wolff vertrat die Staatsregierung bei der Oppositionsklage gegen das Versammlungsgesetz. Jesse berät den Verfassungsschutz. „Die Koalition macht deutlich, dass sie abwiegeln will“, so Linken-Obmann Bartl. „Da können wir gleich eine Günther-Jauch-Show daraus machen“, ätzt SPD-Obmann Karl Nolle.
Insgesamt soll der Ausschuss am heutigen Montag 22 Beweisanträge abstimmen. Die Opposition will zuerst den heutigen Polizeipräsidenten Bernd Merbitz, den für Staatsschutz zuständigen Oberstaatsanwalt Jürgen Schär und Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos als Zeugen laden. Weiter geht es erst wieder am 16. Juni, danach ist Sommerpause.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen