piwik no script img

Aufklärer des Bankenskandals im Interview"Diese Leute werden nie belangt"

Dass Klaus Landowsky, eine der zentralen Figuren im Bankenprozess, tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, glaubt Mathew D. Rose nicht. Der Journalist zählte zu den maßgeblichen Aufklärern der Affäre.

An den Kopf fassen - das müssten sich viele vom Bankenskandal Betroffene Bild: ap

taz: Herr Rose, der letzte große Prozess zum Berliner Bankenskandal ist endlich angelaufen - Jahre nach dessen Aufdeckung. Überrascht es Sie, dass es so lange dauerte?

Mathew Rose: Nein, denn dieser Prozess sollte nie irgendwo hinführen. Alle diese Leute sind bisher fast ungeschoren davongekommen. Das kann man Skandal oder wie auch immer nennen, aber das liegt in der Natur der Sache - in Berlin und in der Bundesrepublik.

Warum?

Mathew D. Rose

Der Journalist durchforstet seit den 90er-Jahren den Berliner Filz und hat maßgeblich an der Aufdeckung des Bankenskandals mitgewirkt. Er ist Autor mehrerer Bücher über Vetternwirtschaft, Begünstigung und die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft. Für einen Fernsehbeitrag zum Bankenskandal erhielt er den dritten Platz des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises. Der Amerikaner arbeitet als freier Journalist für deutschsprachige Medien und lebt mit Partnerin und Kindern in Berlin.

Die Deutschen machen sich immer über dieses Klassenjustizsystem in den USA lustig, aber hier ist es nicht anders. Diese Leute werden nie belangt; die politische Klasse ist meiner Meinung nach nichts anderes als organisierte Kriminalität mit dem Ziel, öffentliche Gelder zu veruntreuen und innerhalb ihrer Seilschaften zu verteilen, und dieses System trägt die ganze Justiz mit. Die Staatsanwaltschaft hat im Bankenskandal einfach fürchterlich versagt.

Klaus-Rüdiger Landowsky wurde immerhin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, jetzt könnte gar eine Gefängnisstrafe daraus werden.

Das glaube ich nicht. Nach meinen Berechnungen haben die Ermittlungen allein auf strafrechtlicher Seite mindestens 10 Millionen Euro gekostet. Für diese Summe ist das Ergebnis doch sehr mager. Und: Was ist mit der zivilrechtlichen Seite? Die Manager und Aufsichtsräte sind alle haftbar. Diese Leute haben ihre Sorgfaltspflicht völlig vernachlässigt und stehen eigentlich in der Haftung, aber sie wurden nie zur Verantwortung gezogen. Auf der wirklichen Rechnung bleibt der Steuerzahler sitzen.

Wie kamen Sie dem Skandal überhaupt auf die Spur?

Das waren zwei Zufälle. Wegen einer geplatzten Weihnachtsreise blieb ich in Berlin. Dort hatte ich jemand getroffen, der mir Unterlagen gegeben hat. Und ich hatte Zeit, einen Aspekt zu recherchieren, den ich sonst vernachlässigt hätte. Der Rest kam von selber. Es gab Menschen in der Bankgesellschaft, die gesagt haben: Es reicht. Nach der Geschichte mit den Fonds haben viele gesagt, wenn nicht jetzt, dann nie. Es war eine Art Graswurzelbewegung in der Bankgesellschaft.

Das hat sie offenbar mehr beeindruckt als der Skandal an sich.

Das System Landowsky kannten wir ja bereits. Ich wusste nur noch nicht, wie es sich finanzierte - über die Bankgesellschaft hauptsächlich, wie dann klar wurde. Was mich wirklich überrascht hat, waren in der Tat diese Leute in der Bankgesellschaft, war dieser Anstand bei den Mitarbeitern. Ich hätte das nie in einer Institution in Berlin erwartet. Das waren vertrauenswürdige Menschen, die nicht davon profitiert hatten.

Es klingt nicht so, als ob Sie das noch wütend macht.

Nein, das täuscht! Ich mache weiter; die Wut verliert man nicht. Es ist nur alles so offensichtlich.

Haben Sie jemals mit Landowsky persönlich gesprochen?

Nein, nie. Er weiß auch nicht, wie ich aussehe. Er würde sowieso nichts begreifen, würde verdrängen.

Und die anderen CDU-Mitglieder? Haben die etwas gelernt?

Nein. Informationen werden nur ausgepackt bei Machtkämpfen, wenn es Interesse gibt, jemanden zu stürzen. Das ist in der Politik so. Die Berliner CDU ist nur beschäftigt mit ihren Verteilungskämpfen; daran dürfte nicht zuletzt Friedbert Pflüger gescheitert sein.

Warum ändert sich nichts?

Es liegt, glaube ich, insgesamt am deutschen Demokratieverständnis. Einige in der Politik und viele Bürger sind desillusioniert und wollen etwas anderes. Ich frage mich, wer überhaupt noch wählen geht: Man findet in den Parteiprogrammen kaum mehr Programm. Gerade in Berlin: Wo ist denn ein Konzept? Stadtplanung? Wirtschaft? Bei Volksabstimmungen wird eine Mindestbeteiligung verlangt, bei Wahlen gilt das nicht - die Politiker wissen schon, warum, sie werden einen Teufel tun, den gleichen Maßstab anzulegen.

Das hieße ja, es hat sich nach dem Bankenskandal nichts geändert. Sehen Sie das tatsächlich so?

Das Einzige, was sich geändert hat, ist: Es gibt weniger Geld zu verteilen. Die Skandale sind die gleichen geblieben - denken Sie ans Spreedreieck. Es wird so getan, als sei irgendein dummer Beamter schuld; aber ich kenne keine dummen Beamten, nur korrupte.

Beim Spreedreieck arbeitet aber ein Untersuchungsausschuss an der Aufklärung. Zugegebenermaßen ziemlich mühsam und seit Monaten ohne greifbares Ergebnis. Was hilft so ein Untersuchungsausschuss überhaupt?

Nun, schauen Sie doch, wer dort sitzt. So viel geballte Dummheit wie bei Berliner Politikern habe ich selten erlebt. Sie haben ja nur drei Möglichkeiten: Entweder sie werden selbst desillusioniert, oder sie mischen mit im Filz. Oder sie gehen - aber wer will schon auf das angenehme Leben als Abgeordneter verzichten?

Nun kämpfen wir mit der Finanzkrise; wie damals bei der Landesbank sind horrende Summen versumpft. Können wir aus dem Berliner Bankenskandal noch etwas für den Umgang mit der jetzigen Krise lernen?

Wie Sie sagen: Das Geld ist doch schon weg! Ein paar Milliarden Euro von der SachsenLB, von der HSH Nordbank ebenso. Es ist zu spät.

Aber es wird doch neues Geld verteilt, in den Konjunkturpaketen I und II - wie sieht es damit aus?

In dem Moment, in dem nur begrenzt ausgeschrieben wird, ist Tür und Tor geöffnet für Korruption. In der Verwaltung lernt der eine das Handwerk vom nächsten: Es ist eine Korpsgeist. Die Berliner Behördenmitarbeiter, die sind auch nicht besonders mutig, die wollen ihren Job nicht verlieren und akzeptieren schon mal Unregelmäßigkeiten. Die Finanzkrise hat dieses System nicht ins Wanken gebracht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!