Aufkauf von Kohlekraftwerken: Geschäfte mit Kohle und Steuergeld
Der tschechische Konzern EPH ist seit etwa zehn Jahren in Deutschland aktiv – doch ziemlich unbekannt. Dabei kassiert er Milliarden für Renaturierung.
Zuletzt übernahmen die Tschechen 2021 vom Eon-Nachfolger Uniper das Kohlekraftwerk Schkopau, eines der gesundheitsschädlichsten Kraftwerke Deutschlands. „Während wir viel über RWE, Uniper oder die LEAG reden, hat die EPH kaum jemand im Fokus“, sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der Grünen Liga. Um das zu ändern, hat der ostdeutsche Umweltverband eine Studie aus Tschechien über die Machenschaften der EPH übersetzt und am Mittwoch veröffentlicht.
Hinter EPH steckt Daniel Křetínský, Oligarch und einer der reichsten Menschen Europas: Er hält 94 Prozent jener Investmentgesellschaft, die die EPH besitzt. Reich geworden ist Křetínský mit dem Erdgasgeschäft in der Slowakei. Aber auch in Frankreich, Großbritannien, Italien oder Tschechien verdient der Oligarch mit der Anheizung des Treibhauses Milliarden.
In Deutschland stieg sein Konzern 2012 ins Braunkohlegeschäft ein und kaufte sich die Mitteldeutsche Braunkohle-AG, die Mibrag. 2013 kam das Helmstedter Braunkohlerevier mit dem Kraftwerk Buschhaus dazu. 2016 das gesamte Lausitz-Geschäft mit damals noch über 10.000 Mitarbeiter:nnen – unter dem Namen Leag.
Die EPH ist 2016 nicht direkt als Investor in der Lausitz eingestiegen, sondern über ein komplexes Firmengeflecht. Wer Verbindung zum Oligarchen Daniel Křetínský suchte, musste die Lausitz Energie Verwaltungs GmbH finden, eine im Cottbuser Handelsregister registrierte Kapitalgesellschaft, die haftungsbeschränkt ist – auf nur 25.000 Euro. Allerdings unterstehen der kleinen Energie Verwaltungs GmbH zwei riesige Töchter: Die Lausitz Energie Bergbau AG und die Lausitz Energie Kraftwerke AG betreiben vier Tagebaue und vier Großkraftwerke – ein Geschäft mit Milliardenumsatz. Mehrheitsbesitzer der Lausitz Energie Verwaltungs GmbH ist allerdings nicht die Energetický a Průmyslový Holding direkt, sondern eine Prager Firma namens LEAG Holding a. s., die sich wiederum im Mehrheitsbesitz der GEMCOL Limited, Nikosia, und der Prager EPPE Germany a. s. befand. Erst wer jetzt weiterrecherchiert, kommt über weitere Beteiligungen zum Milliardär Daniel Křetínský – als EPPE-Vorstandsvorsitzender. Ähnlich ist die Verschleierungsstrategie bei der Mitteldeutschen Braunkohle AG. (reni)
EPH kassiert Gelder für Renaturierung
Um das loszuwerden, überwies der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der sich in Deutschland mit der Kohle verspekuliert hatte, damals knapp 2,7 Milliarden Euro auf Daniel Křetínskýs Konten. Geld, das für die Rekultivierung der Tagebaue in der Lausitz gedacht ist.
Kein Einzelfall: Der deutsche Kohlekonzern Uniper bezahlte EPH 2019 dafür, eines der größten Fossilkraftwerke Frankreichs zu übernehmen – obwohl der Kohleausstieg dort für das Jahr 2021 längst beschlossen war. Wegen des russischen Angriffskrieges läuft das Kraftwerk Émile-Huchet heute aber immer noch. In Deutschland wurde EPH dafür entschädigt, das Kohlekraftwerk Mehrum 2021 stillzulegen – heute läuft es wieder, ohne dass die Steuermillionen der Entschädigung zurückgezahlt wurden.
„Daniel Křetínský gehört zu den größten Kohlebaronen in Europa“, heißt es in der Studie: „Seine Strategie ist, die Schließung seiner Kohlekraftwerke aufzuhalten, öffentliche Mittel abzuschöpfen und den Kohleausstieg in den Ländern, in denen er tätig ist, zu verzögern.“ Die EPH-Kohlekraftwerke mit ihrer Gesamtkapazität von aktuell 12,2 Gigawatt stoßen mehr Treibhausgase aus als ganz Finnland, so der Report. Im Jahr 2021 war EPH demnach für knapp 49 Megatonnen Kohlendioxid verantwortlich – in der EU Platz drei hinter dem polnischen PGE-Konzern und RWE.
„Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung“
Wenn andere Akteure Skrupel bekommen und aus fossilen Produktionsanlagen aussteigen – Daniel Křetínský ist zur Stelle. Um sich dann an den Steuerzahlern zu bereichern: Nach den Leag-Plänen sollte noch tief in den 2040er Jahren Braunkohle verstromt werden. Das 2020 beschlossene Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) sieht ein Ende 2038 vor, was sich Křetínský mit Entschädigung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro entgelten lässt – vom deutschen Steuerzahler.
Der Report spricht vom „Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung“. Denn so wie Křetínský sein Firmenimperium aufgebaut hat (siehe Kasten), lässt befürchten, dass er sich aus dem Staub macht, sobald es nichts mehr zu holen gibt – etwa mit den angesparten Milliarden für die Rekultivierung der ostdeutschen Landschaften.
Russisches Erdgas sei „ein Huhn, das seit Jahren goldene Eier für Křetínskýs Firmen legt“, heißt es in dem Report. „Goldene Eier“ in Form von Geld für Investitionen „nach Hyänen-Art“ in Westeuropa. Eine der profitabelsten Tochtergesellschaften der EPH sei die slowakische Eustream, die als Betreiberin der Transgaz- Pipeline die EU in Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen brachte. Trotz des russischen Angriffs liefert diese Pipeline auch heute noch russisches Erdgas – um die 250 Millionen Kubikmeter pro Woche. So, als hätte die Slowakei keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Aber Křetínský ist ja kein Slowake, sondern Tscheche.
Private Medien und Fussballclubs für Sauberman-Image
„Weder in Tschechien, noch in Großbritannien, der Slowakei, Frankreich oder Deutschland ist Daniel Křetínský besonders sichtbar“, sagt Studien-Autor Radek Kubala von der tschechischen Nichtregierungsorganisation Re-Set. Zwar leiste er sich mit Sparta Prag und West Ham United in der Premier League zwei renommierte Fußballklubs, „aber das dient vor allem dem Saubermann-Image. Über Unternehmenspolitik gibt der EPH-Boss nahezu nie Interviews.“
Andererseits halte er sich ein Medienimperium, etwa die „Czech Media Invest“, der mehrere tschechische Print- und Hörfunkmedien angehören, darunter die Boulevardzeitung Blesk – die „Bild-Zeitung“ Tschechiens – sowie mehrere französische Titel wie Elle oder das Nachrichtenmagazin Marianne. „Natürlich versucht Křetínský über diese Medien seine Interessen zu verfolgen“, sagt Autor Kubala. Auch habe er frühere Politiker für ihn als Lobbyisten verpflichtet, etwa Mirek Topolánek, Tschechiens Premierminister von 2006 bis 2009, der jetzt eine Talkshow in einem Fernsehkanal Křetínskýs moderieren wird.
Daniel Křetínský werde mit seinen Geschäftspraktiken „auf einem gesamteuropäischen Level zu einer Bedrohung der Demokratie“, heißt es in dem Report. Sein Konzern befördere Energiearmut, wirtschaftliche Ungleichheit und trage zur Unbewohnbarkeit unseres Planeten bei. „EPH illustriert, wie sich in unseren Demokratien immer kleinere Eliten Macht an sich reißen“, sagt Radek Kubala und spricht von einer „Oligarchisierung der Gesellschaft“ auch im Westen. Křetínský sei eine „ernste Bedrohung der Zukunft“.
Bergbaufolgekosten für den Steuerzahler
Jetzt will die EPH sogar die Stahlsparte von Thyssenkrupp übernehmen, wie der Spiegel berichtete. Bei deutschen Umweltverbänden ist die Sorge deutlich weniger abstrakt. „Die Hinterlassenschaften der Tagebaue werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen und Milliarden Euro kosten“, sagt René Schuster von der Grünen Liga. Bergbaufolgekosten nennt man das, für die die Tagebaubetreiber einstehen müssen. „Wir sehen den fortgesetzten Versuch, dass Daniel Křetínskýs Leag davon so viel wie möglich auf die Allgemeinheit abwälzt“, so Schuster.
Vier Tagebaue betreibt die Leag noch, allein für den Tagebau Welzow Süd sind Nachfolgekosten in Höhe von mindestens 1 Milliarde Euro veranschlagt. „In der Bilanz der Leag sind dafür aber lediglich 215 Millionen Euro eingestellt“, erklärt Björn Ellner vom Nabu Brandenburg. „Der Rest soll aus jener Entschädigung kommen, auf die die Leag-Besitzer hoffen, wenn sie einem früheren Kohleausstieg zustimmen.“ Somit würde der deutsche Steuerzahler ganz legal die Kassen des tschechischen Milliardärs füllen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“