Auffanglösung oder Sofort-Aus: Letzter Rettungsversuch für Alitalia
Ungewisses Schicksal der italienischen Fluggesellschaft Alitalia: Politik, Gewerkschaften und Investoren treffen sich zum Krisengespräch. Ölkonzern droht mit Lieferstopp für Treibstoff.
ROM taz Das Schicksal der italienischen Fluglinie Alitalia hängt an einem seidenen Faden. Womöglich schon am Montag droht das endgültige Aus, nachdem Gespräche zwischen den Gewerkschaften und der neu gegründeten Compagnia Aerea Italiana (CAI) über eine Auffanglösung für die in Insolvenz gegangene Alitalia vorerst gescheitert waren.
Es war der Alitalia-Zwangsverwalter Augusto Fantozzi, der in einer Krisenrunde mit den Vertretern von neun Gewerkschaften am Samstag ein Horrorszenario entwarf. "Noch bis Sonntag" seien die Flüge gewährleistet. Danach könne er angesichts fast leerer Kassen für die Kerosinlieferungen nicht mehr garantieren. Ab Montag, so Fantozzi, wolle er für die ersten 800 Alitalia-Beschäftigten Null-Kurzarbeit anmelden; möglich sei aber auch, dass gleich alle 21.500 Beschäftigten schon zu Wochenanfang die Kündigung erhielten. Mit anderen Worten: Statt einer gesteuerten Auffanglösung stand nun das traumatische und sofortige Aus im Raum.
Diese dramatische Zuspitzung kam, weil die CAI sich aus den Verhandlungen mit den Gewerkschaften zurückgezogen hatte. Von Beginn an hatte die Position des neuen Unternehmens schlicht gelautet: Die Gewerkschaften können von den Vorschlägen der CAI zu Personalabbau und Gehaltskürzungen Kenntnis nehmen und sie dann abzeichnen - zu verhandeln aber gebe es in der Substanz nichts. Unterstützung fand das Unternehmen bei Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Über Tage jedenfalls verkündete Berlusconi selbstsicher: "Die Gewerkschaften können nur ja sagen." In Gewerkschaftskreisen wird auch die plötzliche Treibstoffknappheit als Teil der Drohkulisse gewertet - ausgerechnet der italienische Konzern Eni, an dem der Staat eine Beteiligung hält, will nicht mehr liefern.
Dagegen stellten die Arbeitnehmervertreter keineswegs ein Nein - wohl aber das Verlangen, in ernsthafte Verhandlungen einzutreten. Schon bei den Ausgangszahlen sind Gewerkschaften und CAI meilenweit entfernt. Die CAI behauptet, bloß 3.250 der 21.500 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Die Gewerkschaften dagegen errechnen einen Arbeitsplatzverlust von mindestens 5.500 Stellen. Beim Lohn spricht das Unternehmen von "gleich bleibenden Gehältern bei erhöhter Produktivität", die Gewerkschaften dagegen kalkulieren Einkommensverluste von etwa 40 Prozent; so soll eine lang gediente Flugbegleiterin nur noch 1.500 statt der bisher 2.500 Euro netto verdienen.
Vor allem aber fürchten die Gewerkschaften, dass es dem Unternehmen und der Regierung generell darum geht, ihre Macht zu brechen - so wie es US-Präsident Ronald Reagan und Margret Thatcher in den 80er-Jahren bei den Streiks der US-Fuglotsen und der britischen Bergarbeiter taten. Selbst gemäßigte Arbeitnehmervertreter wollen wenigstens ihre Rolle als Verhandlungspartner aufrechterhalten.
Doch für einen radikalen Durchmarsch auch auf Kosten einer desaströsen Pleite der Alitalia hat sich Berlusconi schon zu weit aus dem Fenster gelehnt. Im Wahlkampf hatte er den Verkauf der mit über 1 Milliarde Euro verschuldeten Fluglinie an Air France-KLM torpediert und sich selbst zum Garanten einer "nationalen Lösung" ernannt. Einen Misserfolg kann Berlusconi sich deshalb politisch nicht leisten. Deshalb lud er die beiden Verhandlungspartner in der Nacht auf Sonntag zu erneuten Gesprächen. Er erreichte dort zunächst, dass am Sonntagabend neue Verhandlungen zwischen der CAI und den Gewerkschaften aufgenommen werden - die letzte Chance, noch zu einer Lösung zu kommen.
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