Aufbauhilfe für Sudans Medien: Österreich-Ungarns Untergang
Das in Berlin initiierte Zeitungsprojekt "The Niles" soll für professionelleren Journalismus und ein friedliches Miteinander in den beiden Sudanstaaten sorgen.
In einem Büro in Berlin-Mitte kleben Zeitungsartikel an den Wänden. Links englische, rechts arabische. Fotos und Grafiken sind identisch, nur das Schriftbild variiert. Aufgehängt wurden die Texte von Mitarbeitern der Organisation Media in Cooperation and Transition (MICT), die hier an einer Zeitung zur Unabhängigkeitserklärung des Südsudan gearbeitet haben.
Dazu wurden sudanesische Journalisten zu Workshops in beiden Landesteilen eingeladen, wo sie Texte über persönliche Lebensgeschichten oder kulturelle Konflikte im Sudan verfassten. Anschließend gingen die Texte zurück ins Berliner Büro von MICT. Dort wurden sie in Form gebracht, in das Layout von The Niles geschifft und wieder zurück ins südsudanesische Juba geschickt. Eine von MICT mühevoll organisierte und vom Auswärtigen Amt finanzierte Druckmaschine machte es möglich, The Niles bei der sudanesischen Zeitung The Citizen zu drucken.
Das Drucken ist aber nicht das einzige Problem im Sudan. Geldmangel und eine nur notdürftige Journalistenausbildung führen zudem zu chaotischen Zuständen in der Presse. So zeigen einheimische Zeitungen nicht selten Karten, auf denen ein überdimensional großes Deutschland und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn abgebildet sind. "Genau das ist der Punkt. Wir wollen den Sudanesen klarmachen, dass wir nicht mehr im 19. Jahrhundert leben und dass es heutzutage Mittel und Wege gibt, modernen und vielseitigen Journalismus zu betreiben", sagt der MICT-Redakteur Roman Deckert.
Zudem sind im Nordsudan rund 40 Prozent der Menschen Analphabeten, im Südsudan sogar 80 Prozent, was Weltspitze ist. Doch nicht nur sprachliche, sondern auch die zwischenmenschlichen Barrieren sollen mit dem Projekt überwunden werden. Dafür spricht bereits der Name der und Sudan-Experte Zeitung: "The Niles" ist eine Anspielung auf den blauen und den weißen Nil, die in der sudanesischen Hauptstadt Khartum zusammenfließen. Außerdem ist The Niles bilingual aufgebaut: Bis zur Mitte sind die Porträts, Reportagen und Essays auf Englisch, in der Schriftsprache des Südsudan, geschrieben. Wendet man die Zeitung, ist derselbe Inhalt auf und Sudan-Experte Arabisch zu lesen, das im Norden dominiert. "Mit dem Konzept von zwei verschiedenen Sprachen wollen wir nicht nur für ein allgemeines Verstehen, sondern auch für ein friedlicheres Miteinander sorgen", so Chefredakteur Sven Recker.
Entstanden ist nun eine einmalige Ausgabe, die die sudanesischen Journalisten eigenhändig weiterführen oder einfach als Vorlage für ihre eigenen Projekte nehmen können. Seit vergangenem Wochenende ist The Niles zu haben, in Sudan und in Südsudan werden die insgesamt 10.000 Ausgaben an Straßenzeitungsverkäufer verteilt. Es liegt bei ihnen, ob sie The Niles verschenken oder verkaufen. Das hat ihnen MICT freigestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen