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Auf zwei Wegen zu den Holzfällerhemden

■ „anders reisen“ erzählt von Kanada, „lonely planet“ liefert essentielle Informationen

Die Kanadier haben ein Problem mit ihrer Identität. Alle Welt hält sie für harmlos und nett. Am liebsten würden sie die USA angreifen, um von diesem Image wegzukommen. Keiner von außen versteht, warum dieses Land – bekannt in erster Linie für selbstlos-humanitäre Blauhelmeinsätze – in regelmäßigen Abständen Schlagzeilen wegen der Sezessionsbestrebungen des frankophonen Teils macht. Wo die Kanadier doch so tolerant sind und sonst auch nie von sich reden machen.

Christine Sadler, Autorin des neuerschienenen anders reisen Bandes „Kanada“, hat ein eigenes Kapitel den Eigenheiten des kanadischen Selbstbewußtseins gewidmet. Damit folgt sie dem Anspruch der Reihe, von einem Land zu erzählen, und nicht Informationen darüber abzudrucken. Die ersten Texte des Buches sind denn auch programmatisch mit „Leseteil“ überschrieben. Erst wenn der Leser sich einen Eindruck von Landschaft, Kultur – auch der Ureinwohner – und Literatur des Landes verschafft hat, wird er mit dem zweiten Teil „Wege durch Kanada“ auf die Reise geschickt. Hier zeigt sich, dass das Land der Holzfällerhemden in erster Linie durch seine Städte geprägt ist: Halifax, Quebec, Montréal, Toronto und Vancouver. Was nicht heißt, dass es nicht auch das „typische“ Kanada gibt, riesige Wälder und natürlich die Berge und Gletscher im hohen Norden. Dort gibt es kaum Menschen, zur kanadischen Identität tragen sie kaum bei. Aber viel Raum, „unberührt und wild“. Kanada zu lesen, ist ein guter Weg, Kanada zu erleben, zumindest in Gedanken.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt der bekannteste der Verlage für Individualtouristen, Lonely Planet. Dessen Travel survival kit zu Kanada versorgt den Reisenden mit allen wichtigen Informationen über praktische Dinge, auf stolzen 970 Seiten. Wo und wie übernachten, was sehen, was tun. In den einleitenden Kapiteln geht es nicht um so schwer greifbare Dinge wie Identität, es geht um „Facts about the country“: Geschichte, Geografie, Klima, Regierungsform, Wirtschaft. Kurz, präzise, kritisch.

Auch im Hauptteil, der der Reihe nach alle Provinzen durchgeht, liegt der Schwerpunkt nicht auf Eindrücken, sondern akkurat recherchierten Fakten. Qualität und Art der Unterkünfte, empfehlenswerte Kneipen etc. Wer seinen lonely planet dabei hat, läuft keine Gefahr, sich an Orten wiederzufinden, die aus der Mode sind.

Der praktisch orientierte Individualtourist bekommt mit dem travel survival kit, alles, was er für eine Reise braucht, damit sie nicht in Ödnis endet, der „sentimental traveller“ sollte lieber anders reisen. Martin Hager ‚/B‘Christine Sadler: Kanada. Rowohlt 1999, 384 S., 26,90 DM. Mark Lightbody: Canada. Lonely Planet, 976 S., 59,80 DM.

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