Auf du und du mit dem auffälligen Kind: Hochflexible Kitas
■ In Bremens städtischen Kitas gibt es jetzt ein neues Integrationskonzept
„Dort, wo's geht, werden wir das Konzept jetzt umsetzen.“ Friedhorst Kriebisch, in der Sozialbehörde zuständig für Bremens städtische Kindergärten, weiß, was er will: Spätestens mit dem kommenden Kindergartenjahr sollen seine 72 Kitas für ihre verhaltensauffälligen Kinder weitgehend selbst verantwortlich sein. Übergreifende Hilfskonferenzen, in denen für diese Kinder der persönliche therapeutische Bedarf festgestellt wird, soll es dann nicht mehr geben – statt dessen soll jede einzelne Kita ihr festes Integrati-onsbudget kriegen und selbst darüber entscheiden, welches Kind therapeutische Hilfe bekommt.
Seit Ende Januar sorgt das neue Integrationskonzept aus der Sozialbehörde für Unruhe in den Bremer Kitas (siehe taz vom 13.2.) – verwirklicht werde es zum kommenden Kindergartenjahr noch nicht, hieß es noch vor zwei Wochen aus der Sozialbehörde. Nicht bei den freien Kita-Trägern, so weiß man heute; in den städtischen Kitas jedoch schon. Wenn auch noch nicht in der endgültigen Form: „Noch“ sollen die Integrationsgruppen in ihrer festen Zusammensetzung mit vier schwierigen Kindern und ein bis zwei Zusatzkräften erhalten bleiben, so Friedhorst Kriebisch – auf die Dauer aber werde auf überall „entbürokratisiert“.
Hier nämlich gebe es Handlungsbedarf, so Heidemarie Rose, die für das neue Integrationskonzept verantwortlich zeichnet. Ein Beispiel: die Kita in der Andernacher Straße im tiefsten Tenever. 140 Kinder, 13 Nationalitäten, hohe Fluktuation: Im Durchschnitt, so die Information der Mitarbeiterin von Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), bliebe jedes Kind höchstens ein Jahr. Nach dem derzeitigen Integrationskonzept wird dort für jedes auffällige Kind gesondert Hilfe beantragt – eine „Stigmatisierung“, findet Heidemarie Rose – in Tenever habe manchmal jedes zweite Kind seinen Einzelhelfer. Ihr Gegenvorschlag: Ein pädagogisches Konzept der Kita, das der Situation in Tenever gerecht wird.
„Dann müßten hier ja unheimlich viele Leute rumlaufen“, wundert sich die Erzieherin Marie Thérèse Fischer aus der Andernacher Straße über die Situationsbeschreibung aus der Behörde. In ihrer Gruppe gebe es kein Integrationskind, in der Nachbargruppe gerade mal eines. Eine Sprachtherapeutin für die gesamte Kita gebe es jetzt schon: einen Vormittag pro Woche für sieben Kita-Gruppen.
Problematisch findet die Leiterin einer Kita gleich um die Ecke die geplante Auflösung der Integrationsgruppen: aus pädagogischen Gründen. „Kinder brauchen Bezugspersonen“, sagt sie – genau hier aber möchte man in ihrer Behörde Abstriche machen: „Das Kind muß lernen, daß es nicht unbedingt Katrin ist, die sich um es kümmert“, so Heidemarie Rose.
Während in den städtischen Kindergärten nun Flexibilität geübt wird – „unsere Kräfte sind hochflexibel“, so Gesamt-Kita-Chef Kriebisch – läßt man den freien Kitas noch bis zu drei Jahre Zeit. Ilse Wehrmann, Chefin der evangelischen Kindergärten betont denn auch, daß man erst klären lasse, ob die Abschaffung von Hilfskonferenzen nicht gegen das Recht des Kindes auf individuelle Hilfe verstoße. Und auch auf ein festgeschriebenes Budget werde man sich nicht einlassen. ritz
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