Auf der Weihnachts-Tauschbörse: Weg mit den ungeliebten Geschenken
Plätzchenteller gegen Chili-Öl? Auf einer Tauschbörse in in Berlin-Dahlem wechseln ungewollte Weihnachtsgeschenke ihre Besitzer:innen.
D er Presseandrang ist groß. Gleich zwei Fernsehteams und eine Radio-Journalistin sind am Sonntag ins Museum Europäischer Kulturen (MEK) gekommen, um über die Geschenktauschbörse zu berichten.
Klar, das Format ist nicht neu. Bereits zum fünften Mal findet die Tauschbörse für ungewollte Weihnachtsgeschenke statt. Und dennoch „kann ich mir die viele Presse dieses Mal nicht erklären“, sagt Moritz Roehmer, Volontär im MEK. Denn die Idee ist ja simpel: Wenn ich ein Geschenk nicht benutzen kann oder will, tausche ich es mit dem Geschenk einer anderen Person, der es genau so geht.
Ein Beispiel: Omas selbst getrickte Socken – leider viel zu klein – werden getauscht mit dem Fußballkalender vom Onkel, weil man weder Fußball noch den Onkel wirklich mag. Und um genau das zu tun, haben sich viele Menschen im Erdgeschoss eingefunden, so viele, dass das Museum spontan eine zweiten Raum zur Verfügung stellen muss.
„Von dem, was ich hier gesehen habe, wird wenig getauscht, weil die Leute ohne eigene Geschenke kommen, aber viel mitnehmen, dass finde ich schade“, erzählt mir Regina, die gerade einen Plätzchenteller gegen ein Chili-Öl mit Barbara getauscht hat. Die Kekse hat Regina aufgegessen und der Teller passt nicht zu ihrem anderen Geschirr. Und Barbara hat zu viel Öl geschenkt bekommen und „wusste gar nicht wohin damit“. Gut, dass es die Tauschbörse gibt.
Die beiden haben im Internet von der Börse erfahren. „Man guckt und tauscht, kommt zusammen, spaziert einfach herein, es findet an einem Sonntag statt“, sagt Barbara. „Man kommt über die Geschenke gut mit anderen ins Gespräch.“
„Weihnachten mit allen Sinnen“
Der Raum für die Tauschbörse ist nicht abgetrennt vom Rest des Museums, im Gegenteil, sie ist in einen der Ausstellungsräume integriert. Im Raum nebenan mischen sich die Tauschenden mit den Besucher:innen der aktuellen Weihnachtsausstellung. Die gibt es nämlich alle zwei Jahre zu einem neuen Thema. Dieses Mal ist es „Weihnachten mit allen Sinnen“.
„Es freut uns sehr, was hier gerade passiert“, sagt Moritz Roemer. „Das Museum und die Ausstellung werden lebendiger, die Menschen kommen miteinander ins Gespräch“.
Auf die Frage wieso das Museum diese Tauschbörse anbietet, sagt er: „In den Vitrinen sind gerade viele historische Weihnachtsgeschenke ausgestellt, man kann die Veränderung über die Jahre sehen. Daher finden wir es spannend, wenn die Menschen sich fragen, was eigentlich ein gutes Geschenk ausmacht?“ Früher hätten die Menschen eher handwerklich hergestellte Dinge verschenkt, die sich länger gehalten hätten.
Am Ende des Raumes steht eine Person, die nichts in der Hand hält, aber trotzdem zufrieden aussieht. Ich komme mit ihr ins Gespräch und darf sie nur zitieren, weil ich von der taz bin. Sie stellt sich als Angelika vor und erzählt mir, dass sie „hier nix gefunden hat“. Sie selbst hatte einige Geschenke mitgebracht, die sie gar nicht schlecht fand, aber dafür eben keine Verwendung hatte. Als sie Interesse an einem Massageball bekundete, hatte der Besitzer des Balls aber keine Verwendung für ihre Gläser …
„Wir wollten niemanden ausschließen“
Feste Regeln, wie getauscht werden soll, gibt es ohnehin keine, diese wollten die Veranstalter:innen auch nicht vorgeben. „Wir wollen es möglichst offen halten, wer zur Tauschbörse kommen und in welchem Umfang etwas mitgebracht werden darf. Wir wollten niemanden ausschließen.“ Für nächstes Jahr könnte man vielleicht nochmal überlegen, ob es ein paar Vorgaben geben sollte. Insgesamt sei das MEK aber sehr zufrieden mit dem Verlauf der Tauschbörse.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Am Ende fällt auf, dass weder ich noch die Tauschenden Eintritt zahlen mussten. Das verwundert, denn der eintrittsfreie Museumssonntag wurde doch im Zuge der Kürzungen in Berlin abgeschafft.
„Tatsächlich war dieser Sonntag, an dem die Tauschbörse stattfindet, als Museumssonntag geplant. Da wir vom Bund und nicht vom Senat gefördert werden, sind wir von den Kürzungen weniger betroffen als andere Museen“, sagt Roemer „Als wir dann erfuhren, dass die Kürzungen den eintrittsfreien Museumssonntag betreffen, haben wir uns dennoch entschieden, den Eintritt kostenlos anzubieten.“
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