: Auf der Suche nach der Hintertür
■ Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zur Abschaffung der Fünfprozentklausel bei BVV-Wahlen: Die Kleinen jubeln, SPD und CDU basteln an einer Lösung zur „Stabilität“ und gegen „Extremisten“
Nach dem Urteil über die Abschaffung der Fünfprozentklausel bei BVV-Wahlen beginnt nun die Suche nach einer Hintertür. Während die kleinen Parteien die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes begrüßt haben, stellen SPD und vor allem CDU Überlegungen an, wie die Macht der großen Parteien in den Bezirksparlamenten zu retten sein könnte. Unter den Möglichkeiten sind die Zusammenlegung von Bezirken und die Einführung einer Drei- oder Vierprozenthürde. Heute befaßt sich der Senat mit dem Urteil.
Überraschend und mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Richterstimmen hatte gestern der Verfassungsgerichtshof die Fünfprozenthürde im Landeswahlgesetz für verfassungswidrig erklärt (siehe Bericht Seite 4). Die RichterInnen erklärten, der Eingriff sei nur zu rechtfertigen, wenn die Funktionsfähigkeit der BVV ernsthaft bedroht sei. Die Bedrohung liege mit „einem Wahlrecht ohne Sperrklausel“ aber nicht vor. Deshalb brauche es keine Klausel. Das sehen die Kleinen ganz genauso. Der Wegfall der „undemokratisch verfassungswidrigen“ Regelung wurde von den Grünen begrüßt. Die PDS, bundesweit im Clinch mit der Fünfprozenthürde, erklärte, man sei „grundsätzlich gegen künstliche Sperren“. Die FDP, 1995 an der Hürde gescheitert und einer der Kläger, erwartet „einen Schub des kommunalen Engagements“. Gefahr für die Demokratie „durch die Zersplitterung des Parteiensystems“ drohe nicht.
Das wiederum sehen die Großen anders. Man werde „in Ruhe Alternativen zur Fünfprozentklausel“ überlegen, meinte CDU-Fraktionssprecher Markus Kauffmann. Auch ohne die Regelung müsse das Ziel einer „gewissen Stabilität und der Vermeidung von Extremisten“ erreicht werden. Vor allem sei es nun an der Zeit, die Idee vom „politischen Bezirksamt“ zu kippen und die bisher praktizierte Besetzung der Stadtratsposten nach Proporz in der Verfassung festzuschreiben.
Gerade umgekehrt denkt die SPD. Das politische Bezirksamt helfe „einen automatischen Stadtratsposten für die Rep-Fraktion“ zu verhindern, meinte der Fraktionsvorsitzende Klaus Böger. Außerdem sei die Entscheidung ein gutes Argument, die Bezirksreform voranzutreiben: Je größer die Bezirke, desto höher das Quorum für die kleinen Parteien. Nach Berechnungen des Landeswahlleiters liegt die rechnerische Grenze für den Einzug ins Parlament bei etwa einem Prozent.
Einen Schleichweg zur Einführung einer neuen Ausschlußklausel eröffnete die SPD-Abgeordnete Petra-Evelyne Merkel: Das Gericht habe seine Entscheidung auch damit begründet, daß die Bezirke wenig eigene Kompetenzen besäßen. „Aber wir wollen die Bezirke ja durch mehr Kompetenzen stärken“, meinte Merkel.
Der Hintergedanke: Irgendwann wäre es dann auch mit juristischem Segen möglich, wieder eine Hürde aufzubauen: vielleicht bei drei oder vier Prozent. Bernhard Pötter
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