Auf der Sonneninsel: Die steinreiche Schöne
Eine Wanderung auf der Insel Hvar: von ihrem höchsten Berg, dem Sveti Nikola, zum Meer. Grandiose Ausblicke auf schroffe Felswände und die grüne Inselwelt der Adria.
Dass es in Kroatien von "Heiligen" nur so wimmelt, lässt sich auf der Landkarte leicht überprüfen. Unzählige Berge und Orte gibt es, die den Beinamen "Sveti" - Heiliger oder Sankt - führen. Die Insel Hvar mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt bildet da keine Ausnahme. Hvar gilt zudem als die Sonneninsel Dalmatiens. Zweitausendsiebenhundert Sonnenstunden im Jahr versprechen die Reiseführer. Wandern kann man bis tief in den Herbst hinein.
Von ihrem höchsten Berg, dem Sveti Nikola (628 m), hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Inselwelt rundum. Eine Wanderung vom Gipfel hinab nach Sveta Nedjelja, das übersetzt "Heiliger Sonntag" heißt, bringt eine Welt zwischen Felsen und Meer nahe.
"Fjaka", sagt Miloð, während er hinter Svirce den Bus über die Schotterpiste durch die engen Kurven bergwärts manövriert. "Fjaka" ist kroatische Umgangssprache und heißt "Entspann dich, nimms leicht".
Heiß brennt die Mittagssonne aufs Dach, und schon wieder hat einer den Wunsch angemeldet, zu halten, um Fotos zu machen. Fotos vom Gipfel des Sveti Nikola, der nun in Sicht kommt. Das Kreuz auf der Spitze glänzt im grellen Licht. Die prallen blauen Weintrauben machen sich gut vor dem kantigen Fels. Miloð hält an und lächelt. Bald ist sowieso die Fahrstraße zu Ende. Alle steigen dann aus und Miloð verabschiedet sich mit dem fahrbaren Untersatz Richtung Sveta Nedjelja.
Dort wird er auf die Gruppe warten. Die will auf einem Wanderweg die 628 Meter absteigen zu dem kleinen Ort auf der Landzunge, den man umspült von den Wellen des Mittelmeeres tief unten erkennt. Doch vorher gehts noch die wenigen Meter hoch zum Gipfel. Über blanke weiße Steine. Berühmt gewordene Steine, die überall auf Hvar anzutreffen sind. Sie bedecken auch den Boden am zentralen Treffpunkt der Einheimischen, dem Platz des Heiligen Stefan in der Stadt Hvar.
Es handelt sich um einen marmorähnlichen Kreidekalkstein, der auch auf den Nachbarinseln vorkommt und bis heute exportiert wird. Der Berliner Reichstag, das Weiße Haus in Washington, das Budapester Parlament "glänzen" mit diesem Gestein. Ein Gestein, das sich am Gipfel des Sveti Nikola nur so türmt.
Seit 1996 thront dort oben mitten im weißen Fels auch ein weißes Gipfelkreuz. Man weihte es - ebenso wie die kleine Kapelle - dem heiligen Nikolaus, dem Patron der Seeleute. Die See aber, die glitzert an diesem Tag so harmlos im Mittagssonnenlicht, dass sich wohl auch der Schutzheilige genüsslich zurücklehnen kann.
Wie träge Krokodile winden sich die Insel Korcula und die Halbinsel Peljeðac grün und langgestreckt in der tiefblauen Adria. Auf der anderen Seite liegt die Insel Brac. Man erkennt das Gipfelkreuz des Vidova Gora (780 m), des höchsten Berges der dalmatinischen Inselwelt. Direkt zu Füßen von Hvar liegt Pakleni otoci, eine Ansammlung buchtenreicher Winzlinge, außerdem die kleineren Inseln Ðcedro und Ðolta. Im Hintergrund am Festland erhebt sich steil und für Durchschnittswanderer ziemlich unnahbar das Felsmassiv des Biokovo-Gebirges.
Der Abstieg ist voller Überraschungen. Da trifft man zum Beispiel auf Gospa od Zdravlja - eine kleine Kirche, die sich mitten in eine Steinwüste verirrt zu haben scheint. Ein Einwohner von Sveta Nedjelja, der nach Amerika auswanderte, ließ sie bei seiner Rückkehr bauen - zum Dank dafür, dass er den Trip nach Übersee gut überstand.
Nach dem Gotteshaus mitten im Steinfeld verläuft der Wanderweg weiter als schmaler, steiler Pfad. Grandios sind die Ausblicke gegen schroffe Felswände und immer wieder hinunter auf den einsamen Ort Sveta Nedjelja, der auf einer kleinen Halbinsel liegt. Üppig behangene Weinreben tauchen auf - mitten im Fels: gerade recht für eine kleine Stärkung. Nun sieht man das Gipfelkreuz des Sveti Nikola von der anderen Seite.
Nach zahlreichen Schlenkern des abwärtsstrebenden Felspfades taucht linker Hand oben am Berg eine Felshöhle auf. Augustiner kamen im 15. Jahrhundert auf die originelle Idee, sich in diese Einöde zurückzuziehen. Bis 1787 hielt es der Orden hier aus. Ein kleiner Abstecher führt zu den Überresten ihres Refugiums. Es ist jetzt nicht mehr weit nach Sveta Nedjelja.
Nur 200 Menschen leben hier. In der engen Gasse bei der Kirche wartet ein Lastesel mit Holzbündel auf dem Rücken darauf, dass er losgehen kann. Daneben nimmt sich der Bus von Miloð wie ein Exot aus. Zwei Stunden musste der Fahrer sich gedulden. Restaurants hatten leider keine geöffnet. Fjaka, Miloð, take it easy!
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