Auf der Bayern-Pressekonferenz: Lieber Lattek
Beim Rückspiel gegen Barca hetzten die Fans gegen Klinsmann und verlangten nach Hitzfeld oder Lattek. Der Trainer kämpft verzweifelt um seinen Posten. Manager Hoeneß schweigt.
MÜNCHEN taz Als die Rede auf die sechs Namen kommt, die die Südkurve am Vorabend ins Spiel gebracht hat, lacht Jürgen Klinsmann kurz verlegen auf. Er sagt: "Die möchte ich nicht kommentieren." Was soll er auch sagen, jetzt hier in der Presserunde? Es war schließlich eine offene Verhöhnung seiner Person, die da aus den Kehlen treuer Anhänger des FC Bayern geschrien worden war. Die "Klinsmann raus"-Rufe sind ja nichts Neues in der Münchner Arena. Am Dienstagabend aber, in der Endphase des 1:1 im Viertelfinalrückspiel der Champions League gegen den FC Barcelona, brachten die Fans plötzlich ein neues Personaltableau ins Spiel. Es begann mit leidenschaftlichen Rufen nach "Ottmar Hitzfeld". Auch das war noch nicht übermäßig überraschend. Dann aber feierte die Kurve nacheinander auch noch Hermann Gerland, der Trainer der zweiten Mannschaft ist, Mehmet Scholl, Oliver Kahn, Lothar Matthäus und zu guter Letzt Udo Lattek. Die Initiative mag von einigen Ultra-Fans ausgegangen sein. Doch die Lautstärke der Rufe verriet, dass hunderte, vielleicht auch tausende Bayernanhänger bei dem Affront bereitwillig mitmachten.
Eher als von Klinsmann hätte man von Uli Hoeneß eine Stellungnahme dazu erwarten können, etwa dass er seinem leitenden sportlichen Angestellten beherzt zur Seite springt. Der Manager ist nicht nur für viele das Herz des Vereins. Wenn er für nötig hält, legt er sich auch mit den eigenen Fans an - unvergessen sein Wutausbruch auf der Jahreshauptversammlung vor eineinhalb Jahren. Doch im Moment hält Hoeneß das nicht für nötig. "Ich habe das zur Kenntnis genommen, aber ich werde es nicht kommentieren", sagte Hoeneß. Sicher hat er auch zur Kenntnis genommen, dass es zwischenzeitlich deutlich vernehmbar "Vorstand raus" aus der Kurve schallte - allerdings in verhaltener Lautstärke, noch.
Es war das erste Mal seit dem 0:4-Debakel in Barcelona, dass Hoeneß sich wieder den Journalisten stellte. Und eigentlich war er nur gekommen, um zu sagen, dass er zu den wirklich interessanten Fragen derzeit nichts sagt, auch nicht zur Zukunft von Klinsmann. "Wir haben uns in den letzten Tagen nicht zu dem Thema geäußert und werden es auch in den nächsten Tagen nicht tun. Wir haben das Gefühl, dass wir damit gut gefahren sind", sagte Hoeneß. Unter "gut gefahren" muss er wohl verstehen, dass nun die Nachfolgerdebatte kräftig an Fahrt gewinnt. Denn es ist einfach zu auffällig, wie schnell die Treueschwüre des Vorstands für ihren Trainer verstummt sind, seit in Barcelona "der Stolz des Vereins mit Füßen getreten wurde", so die Worte von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Angeblich läuft die Suche nach möglichen Klinsmann-Erben schon.
Auch Jürgen Klinsmann scheint zu ahnen, dass sich über ihm etwas zusammenbraut. Zwar verlautbarte er auch am Mittwoch wieder die gewohnten Parolen, nun werde man eben die Meisterschaft gewinnen. Aber dann sagte er auch: "Du musst am Ende des Jahres irgendeinen Titel auf dem Marienplatz präsentieren. Sonst war es ein schlechtes Jahr." Und genau das würde der Vorstand ihm wohl nicht verzeihen - auch um dem Verein eine Zerreißprobe mit den unzähligen Fans zu ersparen, die die Person Klinsmann so inbrünstig ablehnen.
Doch Klinsmann kämpft verzweifelt um seinen Posten. Am Mittwoch meldete er nachdrücklich weiteren Personalbedarf an "Wir brauchen noch zwei, drei hochkarätige Spieler, die Erfahrung haben." Karl-Heinz Rummenigge hatte nach den Verpflichtungen von Olic und Timoschtschuk zufrieden verkündet, damit sei die Kaderplanung für kommende Saison weitgehend abgeschlossen. Deshalb kam schnell die Nachfrage an Klinsmann, ob er denn das nötige Geld vom Vorstand bekomme. Er gab zurück: "Die Investitionsbereitschaft ist da." Anders als die Bereitschaft, sich zu ihm zu bekennen. SEBASTIAN KRASS
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