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Auf dem Fahrrad

Dies ist ein so genannter Schwank aus meinem Leben. Einer von der Sorte, die man von albernen Menschen aufgefordert wird zu erzählen, und die Laune ist grade so gut, und dann fängst du an, Sätze aneinander zu reihen, es ist ganz leicht und die Pointen sitzen, und es fühlt sich kein bisschen so an, als könntest du es hinterher bereuen. Aber gut, man bereut ohnehin immer nur das, was man nicht getan hat.

Also, die Geschichte geht ungefähr so: Irgendwann im Frühling merkte ich plötzlich, dass ich mich für Männer interessiere. Das ist schon häufiger vorgekommen, ich kann mich erinnern. Aber normalerweise bin ich einfach eine Frau, das ist klar und mit einem Gentest jederzeit nachzuweisen. Aber auf einmal war ich die geilste Braut weit und breit. Ich konnte kaum Fahrrad fahren.

Und dann fiel mir ein Kollege auf, der mir zuvor nicht aufgefallen war. Ein knuspriger Burschi, Sie verstehen, und er roch auch so gut. Sie haben bestimmt auch schon von der These gehört, dass der Körpergeruch den Zustand des Immunsystems widerspiegelt und man den Geruch desjenigen am ansprechendsten findet, der im Hinblick auf die potenzielle Zeugung von Nachkommen immunologisch am besten zu einem passt. Das ist natürlich ein Hammer, und normalerweise kann ich Biologismen jeder Art nicht leiden. Aber wenn man plötzlich selbst so extrem zum Körper geworden ist, greift man nach jeder Theorie und schluckt sie runter und lacht dann auch noch laut.

Ja, fing ich an zu überlegen, vielleicht ist das sogar der Grund dafür, dass die Naturwissenschaft, allen voran die Biotechnologie, inzwischen zur Königsdisziplin aufgestiegen ist, oder noch mehr, zur Religion der Gegenwart. Weil der Mensch doch ein Tier ist, es aber nicht sein will. Weil das alles unerträglich ist. Kürzlich beispielsweise erwähnte ich gegenüber einem vierjährigen Mädchen, welches alles andere als auf den Kopf gefallen ist, dass der Mensch ein Säugetier ist. Sie können sich nicht vorstellen, wie empört das Kind war: „Nein! Ich bin kein Tier!“

Das passt alles sehr gut zu meiner Geschichte und bringt mich zurück zu dem Kollegen. Ich beobachtete ihn einige Tage lang, vielleicht auch ein paar Wochen, und ich war absolut sicher, dass er mich heimlich anstarrte. Absolut sicher. Es war reine Instinktsache.

Unauffällig suchte ich seine Nähe, streute charmante Bemerkungen, fing jeden Blick auf, jedes Lächeln, sorgte dafür, dass mein Lippenstift immer feucht war, erwähnte beiläufig, dass man ja mal nach der Arbeit zusammen ausgehen könne, lauschte versonnen seinem „Ja, können wir machen“ hinterher. Und ich fing an, nervös zu werden.

Da trug es sich zu, dass ein anderer Kollege, welcher bekanntermaßen schwul ist, eine harmlose, nebensächliche Bemerkung über den Kollegen, welchen ich meine, nennen wir ihn der Einfachheit halber Andreas, machte. Normalerweise hätte ich gar nicht darauf geachtet. Aber in meinem extrem körperhaften Zustand, in dem ganz offensichtlich sämtliche Körperreaktionen deutlich extremer sind und auch die Ohren mehr hören als sonst, fiel mir die Bemerkung sofort auf. Und ich fragte den Kollegen: „Habe ich das eben richtig verstanden, du hälst es für möglich, dass Andreas schwul ist?“

„Ja, klar“, sagte der Kollege, und er sagte es ziemlich lässig. Verflucht noch eins, ich war verwirrt. „Welche Indizien hast du dafür?“, fragte ich, denn wenn nichts mehr hilft, dann hilft die Logik. Es ist ganz einfach, wenn man es kann. „Och“, sagte er, immer noch ganz lässig, er wusste ja nicht, was für mich auf dem Spiel stand, „nichts Besonderes, es ist nur so ein Gefühl.“ Haben Sie schon einmal etwas so Entsetzliches gehört?

Ich fragte einen anderen Kollegen, ebenfalls schwul, und dann noch einen und noch einen. Sie sagten alle dasselbe. „Keine Frage, der ist schwul“, sagten sie, „das sieht doch jeder.“ Aber sie wussten nichts Genaues, denn Andreas ist noch ziemlich neu bei uns im Betrieb, und da kann man noch nicht alles wissen.

Jetzt ist sowieso alles egal, dachte ich und ging zu ihm. Er kam mir entgegen. Er lächelte. Wir standen zusammen herum, sprachen über Jobangelegenheiten. Er schob seinen Hintern auf einen Tisch, der zufällig in der Nähe war, und ich sah einen schmalen schwarzen Schuh in der Luft hängen, völlig bewegungslos. Mein Blick arbeitete sich nach oben. „Gibst du mir deine Telefonnummer?“, fragte ich ihn. Er gab sie mir. „Wann hast du Zeit?“, fragte ich. „Wie wär’s mit übermorgen“, sagte er. „Super“, sagte ich. „Super.“

Wie es ausging, fragen Sie? Ja, wenn ich das wüsste. ELLEN SCHMITZKY

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