Auf dem Acker mit Gentechnikgegnern: Pflanze für Pflanze
Feldbefreier am Sonntag in Unterfranken im Einsatz: Sie ersetzen gentechnisch veränderten Mais des US-Konzerns Monsanto durch Biopflanzen. Bis die Polizei anrückt.
AUS DEM MAISFELD taz Die Welt zu retten ist ein dorniges, nasses und mit Brennnesseln gespicktes Unterfangen. Es beginnt am Sonntagmorgen kurz nach fünf Uhr in einem Wald hinter einer Autobahnraststätte bei dem unterfränkischen Ort Kitzingen.
Die Kartoffelsorte Amflora enthält ein Gen mit Antibiotikaresistenz. Entwickelt wurde
sie vor allem für die Papierindustrie. Die reine Amylopektinstärke, die diese Kartoffel bildet, soll Papier besonders glänzend und Klebstoff länger verarbeitungsfähig machen. Derzeit liegt die Kartoffel zum wiederholten Male zur Prüfung bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.
Die Maissorte MON 810 ist die einzige gentechnisch veränderte Sorte, die gegenwärtig in Europa für den kommerziellen Anbau zugelassen ist. Sie enthält die Erbsubstanz eines Bazillus, der ein Gift produziert. Dieses Gift tötet den Maiszünsler, dessen Raupen die Stängel der Pflanze beschädigen. Einige Studien gehen jedoch davon aus, dass auch andere Insekten unter dem Gift leiden.
Rund 60 Gentechnikgegner aus ganz Deutschland haben sich hier versammelt. Sie hatten es nicht weit: Nur wenige Kilometer entfernt haben sie mit mehr als 200 anderen Aktivisten für ein paar Tage ihr jährliches Zeltlager aufgeschlagen. Ihr Ziel: Öffentlichkeit schaffen gegen die Gentechnik. Die Methode: auf einem Feld den gentechnisch veränderten Mais entfernen, zerstören und durch Biomaispflanzen ersetzen.
Doch weil das eine Straftat ist, bewacht die Polizei dieser Tage rund um die Uhr die infrage kommenden Felder. Und deshalb treffen sich die Aktivisten im Morgengrauen im Wald. Bewaffnet mit den Biomaispflanzen und mit Wasserflaschen. Denn der Tag verspricht warm zu werden.
"Feldbefreier" nennen sich die Aktivisten. Doch nicht alle Gentechnikgegner heißen ihr Vorgehen gut. "Auch wenn wir uns in der Sache einig sind, gehen wie nicht gemeinsam auf den Acker", sagt etwa Hans Plate vom Bündnis Gentechnikfreies Kitzingen. "Mit unseren Aktionen, mit Diskussionen und Demonstrationen haben wir es geschafft, dass in Bayern 90 Prozent der angemeldeten Genmaisfelder zurückgezogen wurden", sagt er. Diesen Erfolg macht ihm keiner der "Feldbefreier" streitig. "Doch jetzt stehen da immer noch 10 Hektar, die wegmüssen. Dafür sind wir zuständig", sagt einer.
Es ist schon nach sechs, als die Aktivisten aufbrechen. Es geht quer durch das Unterholz. Brennnesseln konkurrieren mit den Mücken um jeden Quadratzentimeter Haut, der nicht geschützt ist. Dornen fressen sich durch die Hosen. Dann das erste Feld, das es zu überqueren gilt. Weizen. In zwei Bahnen schlagen sich die Aktivisten durch die brusthohen Halme, bevor es wieder in den Wald geht.
Die ersten stolpern über Äste, ein Mädchen knickt mit dem Fuß um. Es blickt kurz nach hinten und humpelt dann weiter. Das nächste Feld. Gerste. In der Ferne ist ein Hubschrauber zu hören, prüfende Blicke wenden sich gen Himmel. Trotz der frühen Stunde brennt die Sonne. Noch einmal erreichen die Aktivisten ein schattiges Waldstück. Es ist das letzte auf dem Weg. Das heißt auch: Danach gibt es keine Deckung mehr; die Polizei hat freie Sicht. Dann liegt der Acker zum Greifen nahe. Das Feldstück ist gut zu erkennen an den beiden Polizeiwagen, die es bewachen.
"Jetzt geht es los", flüstert Matthias. Er ist selbst Bauer und einer der wenigen Landwirte, die sich an dem Pflanzentausch beteiligen. "Ich sehe einfach nicht mehr, wie der Anbau anders verhindert werden kann", erklärt er seine Motivation.
Deshalb sprinten Matthias und die anderen jetzt los. Durch ein Kohlfeld, das die staubigen Füße in Matschklumpen verwandelt, über einen Wassergraben, in dem einer bis zu den Knien versinkt. Bis hin zum rot-weißen Absperrband des Ackers, auf dem der gentechnisch veränderte Mais wächst. Gleichzeitig kommt Unterstützung von links: Eine Vierergruppe hat den Weg über das nahe gelegene Dorf genommen - ein Vorgehen, das für 60 Menschen gleichzeitig zu auffällig gewesen wäre.
Konzentriert beginnen die Aktivisten zu arbeiten. Reihe um Reihe reißen sie den Genmais aus der Furche, setzen eine Biomaispflanze hinein und buddeln das Loch mit den Händen wieder zu. Am Ende sind 1.000 Genmaispflanzen durch Biopflanzen ersetzt - das sind allerdings nur 5, höchstens 10 Prozent dessen, was sonst auf den 0,6 Hektar wachsen würde.
Eine halbe Stunde später trifft die Verstärkung der Polizei ein. Es kommt zu Festnahmen. Manche werden beim Wegrennen geschnappt, andere lassen sich freiwillig festnehmen, weil sie hoffen, durch die anschließenden Prozesse die Öffentlichkeit für das Thema zu interessieren.
Doch für den Genmais ist es zu spät: Die Pflanzen liegen am Boden, zertreten oder samt Wurzeln aus der Erde gezerrt. Fast eine Woche detaillierter Planung steckt in dieser halben Stunde auf dem Acker.
So manche Anwohner billigen die Aktion. Ingrid Luther zum Beispiel. "Vielleicht wachen die Bauern durch die Zerstörung mal auf", ist ihre Hoffnung. Spontan könnte auch sie sich vorstellen, mitzumachen. "Ich würde vielleicht mal eine kleine Ecke von einem Feld austauschen, eben symbolisch", sagt sie.
Doch die Gentechnikgegner wollen sich nicht mit symbolischen Aktionen begnügen: Wenn schon ein komplettes Gentechnikverbot nicht möglich ist, wollen sie zumindest die Möglichkeit, gentechnikfreie Zonen einzurichten. Momentan geht das allenfalls auf Basis eines freiwilligen Vertrags zwischen den Bauern. Wenn, wie in der Region Kitzingen geschehen, zwei Landwirte ausscheren, kommen zu der grundsätzlichen Frage noch Konflikte untereinander. So kursieren im Ort Gerüchte, dass einer der beiden es bei der Haltung seiner Schweine nicht so genau nimmt, einige vermuten, die beiden Bauern seien "gekauft". Von wem, ist klar: von Monsanto, dem Konzern, der die Sorte MON 810 entwickelt hat.
Doch um diese internen Konflikte kümmern sich die Gentechnikgegner nicht. Als sie den Acker verlassen, steht neben Erschöpfung auch ein Glücksgefühl auf ihren Gesicherten - selbst bei denen, die sich von Polizeibeamten abführen lassen. Auch Organisator Michael Grolm strahlt: "Wir haben ein ganzes Feld befreit, das haben wir noch nie geschafft." Grolm selbst war diesmal nicht dabei. Schließlich erwartet er in der kommenden Woche einen Prozess wegen einer ähnlichen Aktion im letzten Jahr.
Für andere bedeutet dieser Tag auch einen ganz persönlichen Erfolg. Einer der Aktivisten trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "I did it - Feldbefreiung". Darunter stehen neun Striche. Er wirkt zufrieden, als er am Nachmittag einen zehnten dazumalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland