Auf Speed zu den Grünen: Jenseits der Blase
Die taz testet Parteien unter dem Einfluss von Drogen. Dieses Mal: drei Tage wach. Auf Speeeeeed beim Wahlkampf der Grünen.
Es beginnt mit einem Scheitern. Der Türsteher lässt mich nicht rein. Ist mir aber egal. Speed polstert. Es zeigt die Welt ganz klassich, keine wilden Farben, keine Deko. Es polstert das Negative weg, Abgewiesen zu werden ist das Gleiche, wie sich an der Bar ein Bier zu holen. Und es will etwas tun, produktiv sein. Wenn sich Arbeitgeber die Welt wünschen könnten, wie sie ihnen gefällt, würden alle Speed nehmen.
Es beginnt also mit einem Scheitern. Mir ist so als hätte diesen Spruch mal jemand Kluges gesagt. Oder stand er auf einem T-Shirt? Speed will auch labern.
Eine durchsichtige Kuppel auf dem Breitscheidtplatz in Berlin. Alles Westberlin, Nähe Kudamm. In der großen Blase sitzen Menschen in grünen T-Shirts an Reihen von Laptops. Sie sollen Fragen an die Grünen beantworten, „Drei Tage wach“ heißt das hier, soll signalisieren, dass sich die Partei nochmal richtig reinhängt. Zwischen den grünen Reihen wuseln Männer mit Kameras, Frauen mit Mikrofonen. Gibt es eigentlich diese Texte in den Zeitungen noch, in denen Politik „Raumschiff“ oder „Blase“ heißt? KollegInnen, hier ist Euer Bild!
Für den Wahl-Check auf Drogen besuchen taz-RedakteurInnen inkognito Veranstaltungen der Bundestagsparteien.
Schöner fühlt es sich an, die Szene als Gewächshaus zu sehen; die jungen grünen Triebe von emsigen Fernsehgärtnern begossen.
Mit Pflanzen soll man reden. Meine Pflanze ist gerade zum Rauchen rausgekommen, macht irgendwas mit Steuern, Mittvierziger, braungebrannt, sonore Stimme. Ach diese Stimme. Schnurrrrrrrr. Steuern. War richtig darauf zu setzen. Umverteilung ist notwendig. Pädo-Debatte ist keine konservative Debatte. Sondern eine notwendige Diskussion. Schnurrrrr.
Eine Befreiung
Es ist schön hier zu sitzen, zu reden. Das Speed und der Schnurrer haben mein Inneres freigeräumt. Von der Frage, ob die Grünen für mich noch wählbar sind nach der Pädophilie-Debatte. Wie schwer kann Empathie denn sein? Die Konflikte in der taz, ob wir gerade eine Aufarbeitung verschlafen oder Stimmung gegen die Grünen machen. Zweifel gegenüber KollegInnen, denen ich vertrauen möchte. Die Seele ist freigeräumt, ein weißer, freundlich beleuchteter Raum.
Wie vollgerümpelt der war, merke ich erst jetzt, wo nichts mehr drin ist. Es ist eine Befreiung. Grüne wählen?
Auf einmal ist alles ganz klar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag