Auf Du und Du mit den Ämtern: Kaffee im Bürgerbüro?
■ Zum Modellversuch Reform der Ämter
Sie nahmen sich viel Zeit, um über ein zeitsparendes Modell zu diskutieren. Satte vier Stunden hatte das „Forum Zeiten der Stadt“für sein Experten-Hearing im Rathaus eingeplant. Zeit genug, um Erfahrungen über drei Modellversuche von „Bürgerbüros“für ämtergeplagte BremerInnen auszutauschen.
Vor fast einem Jahr startete die Innenbehörde in den Ortsämtern Vegesack, Blumenthal und Horn-Lehe den Modellversuch „Bürgerbüro“. Seitdem arbeiten dort Melde- und Wohnungswesen Hand in Hand. Wer sich ummelden oder Wohnscheine oder -geld beantragen will, kann dies bei einem Sachbearbeiter tun und muß nicht mehr von Tür zu Tür wandern – erste Schritte zu Bürgerämtern, die Heidelberg, Osnabrück und Unna seit Jahren haben.
Von „ängstlichen Schwellen“und einem „schmerzhaftem Prozeß“berichtete Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer aus Vegesack über seine ersten Erfahrungen. Doch jetzt sei alles ganz anders: Seine MitarbeiterInnen wollen sogar noch Park- und Angelscheine sowie Kindergeld-Anträge bearbeiten. Oder mit den Bremer Entsorgungsbetrieben zusammenzuarbeiten. Das Amt in Horn-Lehe träumt schon von einem Finanzberater im Haus, der Lohn- und Einkommenssteuererklärungen annimmt und von einem Rentenberater.
Das Geheimnis ihres Erfolges sehen die Ortsamtsleiter im „Aufbau von unten“durch die MitarbeiterInnen. „Wir hatten mal –ne Chance, was selbst zu gestalten“, bestätigte Dieter Nitz, Mitarbeiter der Meldestelle in Horn-Lehe. Der einstige Skeptiker zeigt sich jetzt hochmotiviert: „Wir wollen, daß jeder Sachbearbeiter irgendwann alles kann. Sonst sind die Bürger nur unzufrieden, wenn wir sie im Bürgeramt doch wieder wegschicken müssen“, sagte er, und die Runde antwortete begeistert.
Ein „erster Schritt“zu motivierten MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst sei getan und damit der Weg zum zufriedenen statt vom Amt entnervten Bürger frei, freute sich Jens Knudsen vom Innenressort und frohlockte: Schon im April 1998 könne das erste richtige Bürgeramt eröffnen.
Bei soviel Euphorie ließ sich über Hemmnisse wie den angesprochenen „Ressort-Egoismus“jedoch nicht so gut diskutieren. „Jede Ressortspitze will sein Personal nicht für die Bürgerämter abgeben“, warf zum Beispiel Ortsamtsleiter Kammeyer ein. Aber darauf wußte die Runde nicht viel zu sagen. Außer: Man wolle erstmal abwarten. Lieber träumten sie von Bürgerämtern als gläserne soziokulturelle Zentren der Stadt. Von ganz langen Öffnungszeiten. Oder von Ticketverkauf im Bürgeramt für Werder-Spiele. Doch Michael Steines vom Beirat Horn-Lehe bremste die Erwartungen: „Laßt uns lieber klein anfangen“, appellierte er, „eine Frau hat mir nämlich gesagt: Ich bin doch nicht die blöde Blondine, die den Bürgern dann auch noch ihren Kaffee verkauft.“ kat
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