Auf Du und Du mit dem Polizeigesetz: Kein Rettungsschuss
■ Sozialdemokraten legen ihre Eckwerte für die geplante Gesetzesnovelle vor
Dass Bremens Polizeigesetzvon 1983 geändert werden muss, ist klar: Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, die informationelle Selbstbestimmung des Bürgers darin zu verankern. Diese Gelegenheit will Innensenator Bernt Schulte (CDU) nutzen, gleich noch eine Reihe von polizeilichen Rechten festzuschreiben, die es bisher nicht gibt. Aber in der Koalition ist sein Entwurf umstritten. Der SPD-Landesvorstand hat nun Eckpunkte für die Novellierung des Gesetzes vorgelegt, die zahlreiche Konfliktherde aufzeigen.
Einig sind die Sozialdemokraten mit dem Innensenator darüber, dass die Aufgabe der Polizei die Verhütung von Straftaten ist. Aber schon bei der Rechtsgrundlage hören die Gemeinsamkeiten auf: Anders als in Schultes Entwurf vorgesehen, verlangt die SPD dafür „rechtsstaatlich klare Regelungen“ für alle Ermittlungsmethoden, die sich bisher auf eine „Generalklausel“ stützen. Nicht dazu gehören sollen jedoch der Lauschangriff und der Einsatz verdeckter Ermittler. Sie sind nach Ansicht der SPD in der Strafprozess-Ordnung hinreichend geregelt. Insbesondere wollen die Sozialdemokraten verhindern, „dass der Grundrechtseingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung noch weiter in das Vorfeld der Gefahr“ verlegt wird. Auch die sogenannte „verdachtsunabhängige Personenkontrolle“ lehnt der SPD-Vorstand ab. In anderen Bundesländern habe sie „vor allem zu einer Benachteiligung auch der Ausländerinnen und Ausländer, die sich legal in Deutschland aufhalten, geführt“.
Völlig außerhalb jeder Diskussion ist für die SPD der „finale Rettungsschuss“, den die CDU spätestens fordert, seitdem 1988 die Gladbecker Geiselgangster in Bremen Station machten. Für die SPD ist der gezielte Todesschuss bereits durch das allgemeine Nothilferecht abgesichert. Sie will dafür sorgen, dass er eine Gewissensentscheidung des einzelnen Polizis-ten bleibt und nicht künftig vom Einsatzleiter angeordnet werden kann.
Im öffentlichen Raum tritt die SPD für starke Bürgerrechte ein: Der Durchsetzung von Platzverweisen durch Verhaftung erteilen die Genossen ebenso eine deutliche Absage wie der Videoüberwachung von öffentlichen Räumen. Auch bei der Karlsruher Forderung nach informationeller Selbstbestimmung geht die SPD weiter als das Innenressort: Sie verlangen, dass die Betroffenen grundsätzlich von der Speicherung personenbezogener Daten unterrichtet werden. Im Entwurf der Behörde sind dagegen mehrere Ausnahmen vorgesehen. Schließlich will die SPD auch berufliche Zeugnisverweigerungsrechte – etwa für Anwälte, Journalisten oder medizinisches Personal – im Polizeirecht gewürdigt wissen.
Nur an einem Punkt wollen die Sozialdemokraten der Polizei mehr Rechte verleihen: Das „Wegweisungsrecht“ soll aufgenommen werden, mit dem prügelnde Ehemänner aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden können. In dieser einen Frage hatte CDU-Innenpolitiker Rolf Herderhorst bereits Kompromissbereitschaft signalisiert: Wenn nur der Rest schnell verabschiedet werde, könne das Wegweisungsrecht nach einer Regelung auf Bundesebene angefügt werden. Der Rest ist Zündstoff für die Koalition. not
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