Auf Du und Du mit dem Joint: Patienten kämpfen für Cannabis-Einsatz
■ Bremer Uni-Professor will erneut für Einsatz in der Medizin klagen
Für den legalen medizinischen Einsatz von Cannabis wollen acht Patienten jetzt vor allen Oberlandesgerichten in Deutschland kämpfen. Die Betroffenen, die unter anderem an HIV, Multipler Sklerose, Epilepsie oder schwerer Migräne leiden, seien weiterhin der Strafverfolgung ausgesetzt, hieß es gestern in einer Mitteilung der Universität Bremen, Fachbereich Rechtswissenschaft. Dies werde auch nicht durch die Ankündigung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels (Grüne) geändert, nach der der Gesetzgeber noch in dieser Legislaturperiode Haschisch auf Rezept zulassen will.
Die Mandanten des Bremer Uni-Professors und Rechtswissenschaftlers Lorenz Böllinger waren im Januar mit ihren Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht unterlegen (Az.: 2 BvR 2382 bis 2389/99 – vom 20. Januar 2000). Sie müssten erst den Rechtsweg durch die unteren Instanzen beschreiten, hieß es in der Begründung (die taz berichtete). Gleichzeitig wiesen die Richter darauf hin, dass der medizinische Einsatz der Droge Cannabis im Einzelfall rechtlich erlaubt sei. Kranke Menschen könnten trotz des gesetzlichen Verbots eine entsprechende Erlaubnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen.
Die Klagen können nach Angaben der Universität erst im Mai bei den etwa 25 Oberlandesgerichten eingereicht werden, da jeder der acht Beschwerdeführer pro Gericht zwei Verfahren einlegen muss. Sie wollen mit ihren Verfahren den Staatsanwaltschaften verbieten, Ermittlungsverfahren gegen sie einzuleiten. Gleichzeitig sollen den Angaben zufolge Anträge beim BfArM für eine Erlaubnis des medizinischen Einsatzes von Cannabis gestellt werden.
Am Montag hatte Nickels erklärt, es sei mittlerweile unbestritten, dass Cannabis bei schweren Krankheiten wie Krebs, Multiple Sklerose oder Aids Linderung bringe. Auch für Böllinger gibt es aus ärztlicher Sicht Indikatoren für die Verwendung von Cannabis. Mehreren Studien zufolge könne die Droge den Appetit anregen und gegen die Übelkeit insbesondere bei der Krebs-Chemotherapie wirken. Es gilt als schmerzstillend und wirksam gegen epileptische Anfälle.
Britische Forscher hatten kürzlich medizinische Hinweise dafür entdeckt, dass Haschisch Patienten mit Multipler Sklerose (MS) hilft. Das britische Fachmagazin „Nature“ (Bd. 404, S. 84) stellt Tierversuche vor, denen zufolge Haschisch über bestimmte Rezeptoren gegen den typischen Tremor (Zittern) und die Spasmen (Muskelverkrampfungen) wirkt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte 1961 beschlossen, Cannabis in Betäubungsmittelgesetze einzuordnen. dpa
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