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Auf 13 Joints mit Helmut HögeDie Pflanzen schwer vor Wasser

Helmut Höge ist taz-Autor, taz-Hausmeister und Tierforscher. Wir treffen uns mit ihm auf 13 Joints, oder so. Thema diesmal: Landwirtschaft.

Plitsch, pttsch. Bild: dpa

Draußen Dunkelgräue, seit früh plätschert Regen die Fenster an. Plitsch, plitsch, plipp. Wetter, um wartend zwischen verrutschten Besetzer-Sofapolstern zu versinken. Kurz vor 18 Uhr im taz-Treppenhaus, ein angerauchter Joint liegt im Aschenbecher, als würde er auch auf jemanden warten. Ein Tag, wie erfunden, um mit Helmut über Landwirtschaft zu reden.

Quietschende Schritte künden von seiner Ankunft, dann steht er da: Helmut Höge, 66, Hausmeister, Anzugträger, Ex-Wanderknecht. Er hat eine Rossmann-Tüte voll Agrarliteratur dabei. Ich eröffne: Meine Landwirtschaftskarriere vollzog sich bis dato in zwei Tagen Entenimpfen als Wiesenhof-Leiharbeiter, dazu als Kind etwa dreimal Urlaub auf dem Bauernhof. Was er entgegenzusetzen hat?

Helmut klebt zwei Blättchen aneinander und bestreuselt sie beiläufig. Sieben Jahre hat er im Westen auf Bauernhöfen gearbeitet, ist von Friesland bis zur Mosel durch die Bundesrepublik gezogen, hat Ställe ausgemistet, Rinder enthornt, Ferkel kastriert und sich Schafsmilch mit Lämmern geteilt. Von November '88 bis April '89 hat er dann im Osten in einer LPG gearbeitet.

Was sich denn da unterschieden habe, frage ich durch die ersten Wölkchen.

„Das waren meist keine Bauern in der DDR, sondern Handwerker, Arbeiter.“

Die DDR, Arbeiter- und Arbeiterstaat?

„Die wollten ihren Job nie zu gut machen. Habe ich mal was extra machen wollen, hieß es gleich 'Lass mal, Helmut, da müssen die da oben sich 'n Kopp drum machen'. So war das meistens – über Norm sollte bloß niemand schaffen.“

Knechte sind nicht mehr das, was sie mal waren

Im Westen sei das mitunter charmanter gewesen. „Da waren die Bauern Herr und Knecht zugleich. Hand- und Kopfarbeit liefen immer zusammen.“ Was im Wesentlichen dem heutigen Modell entspricht, nur dass die Kopfarbeit noch zentraler ist: „Die Bauern des 21. Jahrhunderts müssen Manager, Technologen, Chemiker, Mikrobiologen sein. Manche bestellen mittlerweile das Feld vom Schreibtisch aus, wie doofe Büroangestellte, wie wir hier!“

Wie wir hier, Mittwochabend, im menschenverlassenen Treppenhaus, alle im Feierabend, Regen draußen, immer noch. Bei solchem Wetter, Dämmerung, Dauerregen, sind Felder immer am Schönsten, die Pflanzen schwer vor Wasser, wenn man mit dem Zug vorbeifährt. Pttsch.

Mit den Bauern hat Helmut jedenfalls, ob Ost, ob West, immer gut saufen können. „Da waren die total souverän.“ Nachmittags in die Kneipe, „und wenn ich dann abends nach Hause wankte, musste ich der Bauersfrau ausrichten, dass ihr Mann später kommt.“ Eine der Bäuerinnen hat ihm mal eine Bügelfalte in seine Jeans gebügelt, da wurde er in der Dorfdisko ausgelacht; die Knechte wären ja auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Der erste Joint: Geschichte. Bis zum zweiten verrauchen vier Kettenzigaretten, mindestens, indes lerne ich Lektionen über Tier-BHs („Aus Leinen, damit sie sich in den Spaltenböden die Euter nicht ruinieren“), Ernährungsethik („Tiere mit Namen isst man nicht!“) und Agrarinnovationen von Spitzenkadern („Chruschtschow'scher Offenstall“).

Kuhscheiße am Autolack

Mit dem zweiten wird es ernster, erstmal. Immer weniger Bauern gäbe es ja, aber die Tiere werden nicht weniger. Und trotzdem: „Kuh und Huhn lösen sich zunehmend in Politik und Ökonomie auf.“ Liest oder spricht man über Landwirtschaft, hört man von Prozessen, Subventionen, Genetik, Outsourcing, CO2. Demgegenüber steht eine obskure Verlifestylung des Landlebens. „In der Landlust zum Beispiel, wenn die neuen Gummistiefel-Modefarben heiß diskutiert werden.“

Gummistiefel, die man zum Landleben beim übers Landgehen braucht: „Als das losging, dass die reichen Städter aufs Land gezogen sind, haben sie sich erstmal aufgeregt, dass sie die ganze Kuhscheiße am Autolack hatten. Viele Bauern haben dann den Kühen beigebracht, erst zu scheißen, wenn sie klatschen. Dann haben sie die Herde über die Straße aufs Feld geführt, und dann“, klatsch! klatsch! „haben die eben das ganze Feld vollgeschissen.“

Heiterkeit, Zurücklehnen, kurzes Schweigen, spät geworden. Sein Handy, magentafarben, alt, klingelt, er kommt gleich, sagt er.

Ob das denn irgendwann aufhört, mit der Landwirtschaft? Nee, kann er sich beileibe nicht vorstellen. Die Agrarschulen sind voll, hört man, da hänge auch viel zu viel Industrie - Dünger, Land- und Melkmaschinen – dran, und die Biohöfe laufen ja auch gut. Landwirtschaft wird fortbestehen, sagt Höge: Als globale Industrie und regionale Folklore.

Was verbinden Sie mit Landwirtschaft? Wie war das früher? Wie ist sie heute? Diskutieren Sie mit! Die Titelgeschichte „Die Saat ist aufgegangen“ über die Agrarkartelle der LPG-Nachfolger im Osten lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. Mai/1. Juni 2014.

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1 Kommentar

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  • Bin ja ganz erstaunt, dass dieses Thema bei Euch Tazlern ,Ihr Zimmerlinden und Stadtpflanzen überhaupt behandelt wird.

    Ja,es gibt keine Berufsgruppe, die in den letzten Jahrzehnten ohne

    Weiterbildung ausgekommen ist, sowieso nicht.

    Aber in der Landwirtschaft musste in den letzten Jahren an beruflich unerläßlichen know how unendlich viel dazugelernt werden.

    Denn kein Berufsstand muss fachliche, technische und betriebswirtschaftliche Fehler finanziell so schwer büßen, wie Bauern.

    Dann gibt es auch noch zusätzliche Erschwernisse

    Wer von Ihnen weiß denn, dass die zukünftige Milchmarktregelung in der EU viele Milchviehbetriebe ins existenzielle Unglück stürzen wird..

    Da ist viel verborgenes, stilles Leiden am Land.

    Darum glaub ich es gerne ,dass auf den Höfen auf denen Helmut gearbeitet hat, er ein gern gesehener Mitarbeiter, humorvoll, unkompliziert und fachlich durchaus beschlagen.

    So einer ist wohlgelitten ,beim doch oft unter Einsamkeit und Abgeschiedenheit leidenden Landvolk.

    Schöne Grüsse aus Österreich