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Auch ohne gefeuerten TrainerFlensburgs Handballern fehlt die Abwehrkraft

Als Favorit war die SG Flensburg-Handewitt in die Handball-Bundesliga gestartet, davon sind sie nun weit entfernt – auch wegen einer Führungskrise.

Er ist wieder da: Ljubomir Vranjes coachte die Flensburger zu einem Punkt in Hamburg Foto: Axel Heimkenn/dpa

hamburg taz | Die Talfahrt der SG Flensburg-Handewitt geht weiter. Ohne ausreichende Abwehrkraft reichte es dem abgestürzten Klub, der als Meisterschaftsfavorit in die Saison gegangen war, nur zu einem enttäuschenden 32:32 beim HSV Handball. Der nächste Punktverlust am Sonntagnachmittag lässt die Titelträume früh verwelkt wirken, steht die SG nun sieben Punkte hinter der Tabellenspitze.

Doch die Krise in Flensburg ist neben der sportlichen auch eine Führungskrise. Als im Juni 2023 überraschend der sportliche Leiter Ljubomir Vranjes verpflichtet wurde, wusste der neue Trainer Nicolej Krickau davon nichts – und war entsetzt.

Denn mit dem Namen Vranjes ist der größte Triumph der Vereinsgeschichte verknüpft: der Sieg in der Champions League 2014, als am 1. Juni der Erzrivale THW Kiel im ­Kölner Finale bezwungen wurde. Vranjes wurde zur SG-Legende. Danach verlief seine Trainerkarriere weniger glücklich, denn nachdem er die SG Flensburg-Handewitt 2017 verlassen hatte, knüpfte er nirgends an diesen Erfolg an.

Nun also – wieder – Flensburg, in ­anderer Funktion, aber für jeden Trainer eine konkrete Bedrohung, denn mit einem Sportchef diesen Formats hat man seinen Nachfolger ja jeden Tag vor Augen.

Der Trainer als Bauernopfer

So ist es mit Krickaus Entlassung nach nur anderthalb Jahren vor einer Woche auch gekommen, und natürlich sitzt Vranjes nun neben dem Interimschef und ehemaligen Krickau-Ko-Trainer Anders Eggert auf der Bank. Kurios dabei, dass sich vor allem Geschäftsführer Holger Glandorf einen starken Mann neben oder über sich gewünscht hatte, um die lästige Öffentlichkeitsarbeit und andere repräsentative Aufgaben nicht mehr übernehmen zu müssen – das kann der smarte Schwede viel besser als der spröde Norddeutsche.

Das ist die Folie, vor der man Krickaus Entlassung betrachten muss – es war also auch ein Bauernopfer in einer Lage, in der alle unzufrieden waren, sich der mächtige Beiratsvorsitzende und Geldgeber Boy Meesenburg aber offenbar lieber vom jungen, neuen Trainer trennen wollte als von einem aus dem vergleichsweise namhaften Management. Dort fehlt jedoch weiterhin jemand, der nicht nur die Handballbrille aufhat und frischen Wind herein bringt.

Krickau hat in seinen 18 Monaten Fehler gemacht, wollte bei der traditionell abwehrstarken SG zu viel Offensive, hatte dann aber viel zu wenig ­Defensive und fand kein Rezept, ­Oldie Jim Gottfridsson und Starspieler ­Simon Pytlick im Rückraum zusammen zu spannen. Aber man hätte ihm ruhig mehr Zeit geben können, gilt er doch als großes Trainertalent und sind die Unterschiede zwischen dänischer und deutscher Liga groß.

Der teuren und zumindest nominell starken Mannschaft stehen nach vielen schwachen Auftritten in dieser Spielzeit einschneidende Veränderungen bevor

Dabei stehen der teuren und zumindest nominell starken Mannschaft nach vielen schwachen Auftritten in dieser Spielzeit einschneidende Veränderungen bevor. Gottfridsson verlässt die SG Richtung Szeged, Kapitän Johannes Golla wandert spätestens 2026 nach Melsungen ab, Kay Smits und Lukas Jörgensen sind andere ­Wechselkandidaten.

Der nächste Umbruch wird dann nicht mehr von Interimscoach Anders Eggert angeleitet, sondern schon von Glenn Solberg – der Norweger spielte selbst in Flensburg, überzeugte als schwedischer Nationaltrainer und kennt Glandorf und Vranjes aus Nordhorner Zeiten. Er gilt als Flensburger Wunschkandidat für den Trainerposten. Dann wird es darauf ankommen, der Mannschaft mehr Führung und Mentalität mitzugeben, denn daran mangelt es der SG schon seit einiger Zeit. Und zwar der Mannschaft und dem Gesamtgebilde.

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