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Auch Richterinnen können hart strafen

■ Tagung in Loccum: Studie über Selbstverständnis von Frauen auf dem Richterstuhl / „Für den Wunsch, Justiz menschlicher zu gestalten, sind Frauen die falsche Adresse.“

Loccum Der Richter straft mit männlicher Härte, die Richterin gleicht mit weiblichem Verständnis aus: Mit diesem Vorurteil hat eine Studie gründlich aufgeräumt, die jetzt bei einer Richter-Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum (Kreis Nienburg) vorgestellt wurde. Danach orientiert sich die Mehrheit der Strafrichterinnen weniger am Umfeld des Täters und ist härter in der Beurteilung. Die Richterinnen stehen damit ihren Kollegen in nichts nach, ist das Ergebnis der Untersuchung von Regine Drewniak, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Hannover.

Die Sozialwissenschaftlerin analysierte die Strafabsicht von Richterinnen und Richtern an 31 Amtsgerichten in neun alten Bundesländern anhand einer schriftlichen Befragung. „Für den Wunsch, die Justiz menschlicher zu gestalten, sind Frauen die falsche Adresse“, fand sie heraus. Schließlich seien sie eine Minderheit in einer Männerdomäne.

Zwar stieg der Zahl der Frauen in der Justiz – 1965 betrug der Frauenanteil vier, knapp 30 Jahre später immerhin 20 Prozent. Daraus ergibt sich nach ihrer Analyse aber nicht, daß sich das eher repressive Klima an den Gerichten verändert – was vor allem außerhalb von Justizkreisen erwartet wird. „Ausgerechnet Frauen müssen dafür herhalten, daß es bei Gericht verständnisvoller und sozialer zugeht“, kritisiert Drewniak. Überlegt werden müsse vielmehr, meint die Wissenschaftlerin, ob die bei Jugendlichen geübte Praxis einer außergerichtlichen Einigung zwischen Täter und Opfer auch auf Erwachsene ausgedehnt werden könne.

Überprüft hat die Wissenschaftlerin auch rund 13 000 ergangene Urteile zwischen 1989 und 1990 an drei Amtsgerichten. Das Ergebnis: Frauen blieben ähnlich hart wie ihre männlichen Kollegen. Damit bleibt die Sache für Angeklagte gleich, sie brauchen sich keine Hoffnungen zu machen, daß Richterinnen gnädigere Urteile fällen.

Die Studie widerlegt somit ein tief verwurzeltes Klischee: Als Anfang des Jahrhunderts über die Zulassung von Frauen zur Justiz debattiert wurde, führten Gegner an, Frauen als Richterinnen seien ihrer Natur entsprechend zu milde, zu weich. „An diesen Stereotypen hat sich bis heute leider wenig geändert, außer, daß sie inzwischen positiv verwendet werden“, sagt Regine Drewniak. Die Integration von Frauen werde dadurch jedoch nicht gefördert. Im Gegenteil, auch heute gelte noch: Richter sind Juristen, Richterinnen sind eben Frauen.

Petra Häussermann / dpa

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