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Auch Abreißen soll erlaubt sein

Runder Tisch Moorburg besteht auf Ausgleich von Wohnraum-Verlust  ■ Von Gernot Knödler

Der Runde Tisch in Moorburg hat seine starre Haltung gegen den Abriss von Häusern des Dorfes aufgegeben. Hat das Gremium bisher grundsätzlich gegen Abriss votiert, so wäre es jetzt bereit, „seinen Standpunkt im Einzelfall zu überdenken, wenn der durch Abriss verloren gehende Wohnraum an anderer Stelle neu entstehen würde“, heißt es in einer Mitteilung des Runden Tisches.

„Es gibt Häuser, die nicht zu erhalten sind“, bemerkt Rainer Böhrnsen vom Runden Tisch, in dem sich die BewohnerInnen des zum Hafenerweiterungsgebiet gehörenden Dorfes organisiert haben. Einzelne der Katen und Bauernhäuser sind asbestverseucht, andere stehen schief, weil der Boden unter ihnen weggesackt ist. Über einzelne Gebäude, wie die Hallenhäuser Moorburger Elbdeich 309 und 349 wird schon seit Jahren geredet. Verbessert hat sich ihr Zustand in dieser Zeit nicht.

Den MoorburgerInnen geht es in erster Linie darum, dass ihr Dorf nicht ausstirbt. Die Einwohnerzahl sinkt. „Das ist eine Entwicklung, die wir nicht hinnehmen wollen“, sagt Böhrnsen. Wenn also Wohnraum vernichtet werde, dann müsse an anderer Stelle neuer geschaffen werden. Dazu könnten in den hinteren Teil eines großen bäuerlichen Hallenhauses wie am Moorburger Elbdeich 273 Wohnungen eingebaut werden, wo früher die Ställe waren. Auf diese Weise würde eine Sanierung dieser Häuser finanziert und wenigstens deren Abriss verhindert werden.

Am liebsten wäre es dem Runden Tisch, wenn große Wohnungen geschaffen würden, die sich für Familien mit Kindern eignen. Das würde Leben ins Dorf bringen und die Kita sowie die Grundschule auslasten. „Das ist kein Single-Wohnort hier“, findet Böhrnsen.

Dem Einbau großer Wohnungen steht allerdings eine Vereinbarung von SPD und GAL entgegen: In ihrem Koalitionsvertrag von 1997 verständigten sie sich auf Maßnahmen die „angemessene Wohn- und Lebensverhältnisse in Moorburg-Mitte“ sichern sollen. Unter anderem wurde die Frist, bis zu der Eigentümer genehmigter Bauten entschädigt werden, auf 2035 verlängert; der Bau von Versorgungseinrichtungen wurde erlaubt und der Ausbau von Einliegerwohnungen, die allerdings „nicht mehr als 50 Quadratmeter“ groß sein dürfen. Den letzten Punkt hätte der Runde Tisch gerne „kreativ“ interpretiert.

Die Regierungsparteien haben reagiert. „Es gab konstruktive Gespräche zwischen den Koalitionspartnern“, sagt Detlev Grube von der GAL. Für den Moorburger Elbdeich 273 sei eine Lösung in Sicht für den Fall, dass anderswo abgerissen werde.

Böhrnsen denkt schon weiter. „Innerhalb der nächsten zwei Jahre rechne ich fest damit, dass wir aus dem Hafenentwicklungsgesetz 'rauskommen“, sagt er. Ein Tiefseehafen in Cux- oder Wilhelmshaven würde seiner Meinung nach eine Hafenerweiterung in Moorburg überflüssig machen.

Indizien dafür, dass die Wirtschaftsbehörde damit rechnet, sind für ihn der Sielbau in Moorburg, das Niveau, auf dem die Saga die städtischen Häuser modernisiert, und die Tatsache, dass die Saga, die Grundstücke nicht mehr komplett vermietet, sondern einen Teil davon verpachtet. Trotz aller Dementis von Saga und Wirtschaftsbehörde erkennt Böhrnsen darin ein Freihalten der Grundstücke für eine künftige Bebauung.

Manfred Brandt, ebenfalls im Runden Tisch engagiert, interpretiert die Aktivitäten der Stadt in Moorburg allerdings weniger optimistisch. Die Zeit bis 2035 sei von niemandem zu überblicken. Da könne man „den Ort nicht gegen die Wand fahren“. Und wenn man sich ansehe, „mit welcher Entschlossenheit der Senat versucht, den Süderelbe-Raum wirtschaftlich zu nutzen“, dann dämpfe das die Hoffnung erheblich – Tiefseehafen hin oder her.

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