in fußballland : Aua, was für ein Fußball!
CHRISTOPH BIERMANN hat fürchterliche, aber nur scheinbar unheilbare Schmerzen
Dunkel ist die Welt des chronischen Schmerzes und von seltsamen Geistern bevölkert, die dafür sorgen, dass sie manch Leidgeplagten auch ohne Erklärung wehtun. Und gerade der Umstand des anscheinend Grundlosen macht es den Schmerzpatienten oft so schwer, mit ihrem Leiden umzugehen. Während diese Armen nicht wissen, warum ihnen der Kopf schmerzt oder der Rücken, können wir Patienten des chronischen Fußballschmerzes zumindest dafür dankbar sein, dass wir die Ursachen unseres Leidens klar benennen können. Schließlich sehen wir, dass in unserer Mannschaft mal wieder nur Graupen spielen, die einfach gar nichts zustande bekommen. Und wenn sie dann mal wieder nicht aufhören wollen, lausig zu spielen und zu verlieren, fängt es halt an, richtig wehzutun.
Bald tapsen wir Woche für Woche mit hochgezogenen Schultern ins Stadion, um die Schläge abzuwehren, die aber durch immer noch erbärmlichere Gegentore natürlich doch kommen. Da wissen wir: Jetzt ist die Zeit, in der Fußball richtig wehtut. Dann wird aus zwei Niederlagen eine Serie, die einfach nicht aufhören mag. Dann können wir uns Rat bei jenen holen, denen beständig Kopf oder Rücken schmerzen, und wir können aus ihren Regeln für den Umgang mit Schmerz unsere für den chronischen Fußballschmerz ableiten:
1. Akzeptieren Sie den Schmerz, er gehört zum Fußball! Auch wenn Sie bislang vielleicht gedacht haben sollten, dass es immer nur nach oben geht, Siege fast garantiert und Niederlagen nur exotische Ausnahmen sind – vorm Schmerz der Enttäuschung ist niemand gefeit. Doch Sie sind nicht allein. Den anderen im Stadion geht es auch so, und irgendwo anders (z. B. Österreichs Regionalliga Ost) quält mit Sicherheit eine Gurkentruppe gerade ihre Anhänger nicht minder.
2. Versuchen Sie nicht, dem Schmerz auszuweichen! Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, ihren Klub zu wechseln, um schmerzfrei zu werden, vergessen Sie’s! Dabei wird hier nicht moralisch argumentiert, weil es sich nicht gehört, wegen einer Niederlagenserie den Klub zu wechseln. („Aber der FC Bayern gewinnt doch wenigstens immer.“) Anhänger von Seriensiegern erleben ebenfalls chronischen Fußballschmerz, wenn auch in anderer Form. Weil sie gerade mal nicht Meister, sondern nur Vierter werden oder schon wieder nicht die Champions League gewinnen.
3. Vermeiden Sie gerade in schweren Zeiten fußballfantypische Medikamentierung! Bier ist keine Lösung! Das gilt auch für viel Bier. Alkohol hilft nicht, Kiffen ist überdies verboten und fördert psychische Erkrankungen sowie matschige Köpfe. Ihr Kopf aber muss klar sein!
4. Geben Sie schönen Dingen in Ihrem Leben mehr Raum! Klar, das ist schwer. „Hä, welche schönen Dinge?“, werden Sie fragen. Aber es gibt sie. Wahrscheinlich. Hoffentlich.
5. Wo, das müssen Sie bitte schön selbst herausfinden! Es gibt tolle Musik (lassen Sie derzeit die Finger von Black Metal und Drone!), und ein vernünftiges Buch werden Sie doch wohl noch finden.
7. Verdammt!
8. Entschuldigung, aber chronischer Fußballschmerz macht labil und hochfahrend. Akzeptieren Sie das! Es bleibt Ihnen sowieso nichts anderes übrig. Oder wollen Sie sich ganz vom Fußball abwenden? Unsinn!
9. Lassen Sie sich nicht von unproduktiven Gedanken kontrollieren! Verbannen Sie Sätze wie: Das wird nie mehr was, oder: Mir fällt kein Grund ein, warum wir je ein Spiel gewinnen sollten!
10. Denn seien Sie sicher: Es hört wieder auf! Selbst die längste und schmerzvollste Serie ohne Erfolgserlebnis ist irgendwann vorbei. Okay, vielleicht eine Spielklasse darunter. Aber dann wird es Ihnen egal, und Sie werden dankbar dafür sein, dass der Mensch vergisst.
Christoph Biermann, 46, liebt Fußball und schreibt darüber