Attentat in Algerien: Islamisten werden aktiver
Bei einem Selbstmordanschlag auf Präsident Bouteflika sterben mindestens 19 Menschen. Vor Beginn des Ramadan fürchten viele eine Ausweitung der Attacken.
Algeriens Islamisten haben am Donnerstagabend keinen Geringeren als Staatschef Abdelasis Bouteflika als Ziel eines Anschlages ausgesucht. Ein Mann zwischen 30 und 35 Jahren sprengte sich in Batna (400 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier) selbst in die Luft. Er hatte sich mit einer Bombe, die er in einer Plastiktüte mit sich trug, unter die Menschen gemischt, die auf die Ankunft des Präsidenten warteten. Der junge Mann fiel den Umstehenden durch sein nervöses Verhalten auf. Sie alarmierten die Sicherheitskräfte. Als sich die Polizeibeamten dem Verdächtigen näherten, zündete dieser seinen Sprengsatz 40 Minuten vor der Ankunft des Staatschefs. Dabei kamen mindestens 19 Menschen ums Leben. 107 wurden zum Teil schwer verletzt.
Bouteflika verlängerte seinen Aufenthalt in Batna, um sich persönlich ein Bild von den Folgen des Selbstmordanschlags zu machen. Auf seiner ersten Reise nach Osten seit geraumer Zeit besuchte Bouteflika die Opfer im Krankenhaus, wo er von der Bevölkerung mit Hochrufen auf seine Aussöhnungspolitik gefeiert wurde. "Wir werden nicht auf die Nationale Aussöhnung verzichten, egal welchen Preis wir dafür zahlen müssen", erklärte der Staatschef in einer Ansprache vor Veteranen des algerischen Unabhängigkeitskrieges gegen Frankreich.
Präsident Bouteflika, über den Gerüchte kursieren, er sei schwer krank, hat mit seiner Aussöhnungspolitik Algerien nach über zehn Jahren blutigem Bürgerkrieg weitgehend befriedet. Tausende von radikalen Islamisten legten in den letzten Jahren die Waffen nieder und wurden im Gegenzug von Behörden und Justiz großzügig behandelt. Algerien war nach dem Abbruch der ersten freien Wahlen 1992, bei denen die Islamisten den Sieg davontrugen, in einer blutigen Krise versunken. 200.000 Menschen verloren bei Anschlägen, Massakern und Militäroperationen ihr Leben.
Nur ein paar hundert Mitglieder der Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf (GSPC) blieben auch nach dem Aussöhnungsangebot Bouteflikas in den Bergen. Seit Beginn des Jahres operieren sie unter dem Namen "al-Qaida für den islamischen Maghreb". Von Algerien aus versuchen sie, die gewaltbereiten Islamisten in der gesamten Region zu koordinieren. In Marokko und Tunesien verfügen die Salafisten über zahlreiche Anhänger.
Al-Qaida Maghreb dürfte auch hinter der Bombe vom Donnerstag stecken. Der gescheiterte Anschlag auf den Präsidenten war der dritte Selbstmordanschlag in Serie. Am 11. April explodierten zwei von Selbstmordattentätern gesteuerte Autobomben vor dem Regierungspalast in Algier und einem Polizeirevier in einem Vorort. 32 Menschen verloren dabei ihr Leben. Ministerpräsident Abdelasis Belkhadem, dem der Anschlag auf das Regierungsgebäude galt, blieb unverletzt.
Am 11. Juli sprengte sich ein radikaler Islamist in der Kleinstadt Lakhdaria vor einer Armeekaserne in die Luft. 10 Menschen wurden dabei getötet.
Der Anschlag von Batna lässt unliebsame Erinnerungen wach werden. In wenigen Tagen beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. In den 90er-Jahren verstärkten die bewaffneten Gruppen ihre Aktivitäten in dieser Zeit. Bombenanschläge bestimmten das Leben in den großen Städte. Auf dem Land wurden immer wieder Dörfer überfallen und hunderte von Menschen regelrecht abgeschlachtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!