Attac-Aktivist über Wasser-Privatisierung: "Schweigegeld habe ich abgelehnt"
Bei der Attac-Sommerakademie kritisiert der Buchautor Jean-Luc Touly die Privatisierung des guten Wassers. Aus dem gleichen Grund hat er seinen Job beim Veolia-Konzern verloren, erzählt er.
taz: Herr Touly, trinken Sie eigentlich noch Wasser?
Jean-Luc Touly: Ich trinke seit meiner Kindheit nur Wasser, kein Wein, kein Bier, nur Wasser -aus Flaschen, nicht aus der Leitung, da ist mir zu viel Chlor drin.
Zu viel Chlor?
Die Qualität des Wassers in Frankreich wird immer schlechter, und es ist viel zu teuer! Aber das darf man als Mitarbeiter des privaten Wasserversorgers in Frankreich, Veolia, nicht sagen.
Das müssen Sie erklären.
Ich habe 30 Jahre für Veolia gearbeitet, zuletzt in der Unternehmensleitung und als Gewerkschaftsfunktionär. Dabei habe ich gesehen, dass der Preis für Wasser viel zu hoch ist. Der Konzern verdient Unsummen mit etwas, das lebenswichtig ist. Das habe ich kritisiert. 2006 flog ich deshalb raus.
Das ist als Gewerkschafter in führender Position in Frankreich doch gar nicht möglich?!
Wenn der Arbeitsminister sein Okay gibt, geht das.
Und der hat eingewilligt?
Das hat eine Vorgeschichte. 1999 bin ich Attac beigetreten, um über die überhöhten Preise zu reden. Auf Konferenzen und Tagungen habe ich Vorträge gehalten, wie Veolia arbeitet und die Preise für Wasser zustande kommen. Wasserrechnungen versteht ja heutzutage niemand mehr. 2006 habe ich dann zusammen mit dem Journalisten Roger Lenglet das Buch "Multinationals and Water, The Unspeakable Truth" veröffentlicht, in dem es um die Machenschaften zwischen Veolia, der Politik und den Gewerkschaften geht. Offiziell war das der Grund für meinen Rauswurf.
Sie hätten auch ein reicher Mann werden können.
Ja. Bevor ich gefeuert wurde, hat mir Veolia 1 Million Euro angeboten, Schweigegeld sozusagen. Ich habe abgelehnt.
In Ihrem Buch kritisieren Sie die Rolle der Gewerkschaften.
Genau. Dass Wasser so teuer und von so schlechter Qualität ist, liegt daran, dass Veolia als Konzern ungehindert schalten und walten kann. Gewerkschaften und Politik setzen dem nichts entgegen. Das Problem der Gewerkschaften allgemein in Frankreich ist, dass nur 20 Prozent des Geldes der Gewerkschaften von den Mitgliedern kommt. Die restlichen 80 Prozent kommen von den Konzernen. Das weiß kaum jemand, weil die Gewerkschaften in Frankreich ihre Einkünfte nicht offenlegen müssen.
Und warum macht die Regierung nichts dagegen?
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat die Gewerkschaften jüngst aufgefordert, ihre Bücher zu öffnen. Aber solange der Staat diese Transparenz nicht gesetzlich vorschreibt, werden sie es nicht tun. Und so weit wird Sarkozy wiederum nicht gehen. Dafür sind Gewerkschaften und Politik zu eng verbandelt.
Wie geht es nun weiter?
Im September habe ich die nächste Anhörung vor Gericht. Ein ehemaliger Gewerkschaftskollege hat ziemlich miese Dinge über mich verbreitet. Der wollte mich wohl als zweifelhaften Charakter darstellen. Das ist bereits das zweite Mal, dass ich wegen Diffamierung vor Gericht ziehe. Beim ersten Mal habe ich Recht bekommen. Ich gehe davon aus, dass das auch diesmal der Fall sein wird.
INTERVIEW: MAIKE BRZOSKA
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