Atommüll im Wendland: Erhöhte Strahlenwerte in Gorleben
Nahe der Castorhalle im Zwischenlager Gorleben wurde der zulässige Grenzwert fast erreicht. Atomkraftgegner verlangen deshalb ein Verbot weiterer Castortransporte.
Die Atomkraftgegner im Wendland riefen am Freitag "Strahlenalarm" aus. "Die Menschen im Landkreis Lüchow-Dannenberg sehen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt", sagte Kerstin Rudeck, Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg. Die Halle, in der die Castorbehälter mit dem hochradioaktiven Müll gelagert sind, strahle "in unzumutbarem Ausmaß".
Am Zaun der Castorhalle waren zuvor deutlich erhöhte radioaktive Strahlung gemessen worden. Ohne Verbesserung des Strahlenschutzes dürfe das Zwischenlager keine weiteren Behälter aufnehmen, stellte das niedersächsische Umweltministerium inzwischen klar.
Das Ministerium bestätigte, dass an einer von mehreren Messstellen der zulässige Grenzwert für Neutronenstrahlung fast erreicht wurde. "Vor der Annahme weiterer Behälter muss der Betreiber Maßnahmen zur Senkung der Strahlenbelastung ergreifen", sagte eine Ministeriumssprecherin.
An dem fraglichen Messpunkt hatte der vom Umweltministerium beauftragte Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) einen Halbjahreswert für Neutronenstrahlung ermittelt, der hochgerechnet eine Überschreitung des Jahresgrenzwerts erwarten lässt. "Eine Einlagerung weiterer Behälter wäre dann nicht zulässig", heißt es in einem der taz vorliegenden Vermerk der Behörde. Dieser Jahresgrenzwert liegt bei 0,3 Millisievert. Schon ab einem Schwellenwert von 0,27 Millisievert müssen Maßnahmen zum Strahlenschutz eingeleitet werden.
Extrem hoher Abbrand eingelagert
Einen triftigen Grund für die gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegene Strahlung konnte das Umweltministerium am Freitag nicht nennen. Eine mögliche Erklärung sei, dass der Messpunkt um vier Meter versetzt worden sei und dadurch etwas näher an der Halle mit den Castorbehältern liege.
Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sieht eine Ursache der erhöhten Strahlung in der Einlagerung von Behältern mit extrem hohem Abbrand im vergangenen Jahr. "Der Castortransport 2010 war nicht nur derjenige, der bisher den größten Widerstand herausgefordert hatte, er war auch der heißeste", sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Im Übrigen sei bereits im Jahr 2008 die erlaubte Strahlenbelastung im Brennelementezwischenlager zu zwei Dritteln "ausgeschöpft" worden.
Wie die BI Umweltschutz verlangen nun auch Umweltorganisationen und Oppositionsparteien den Verzicht zumindest auf den für dieses Jahr geplanten Transport mit den Atommüll enthaltenden Castoren. Der Umweltexperte der niedersächsischen Linksfraktion, Kurt Herzog, verwies darauf, dass die Grenzwerte bereits mit den derzeit in Gorleben stehenden 102 Castoren erreicht worden seien. Die Halle sei aber für insgesamt 420 Behälter genehmigt worden.
Umweltministerium hält Transporte weiter für möglich
"Das Abstellen von Castoren in unsichere Lager wiegt die Öffentlichkeit im trügerischen Glauben, dass es Lösungen für die Entsorgung des Strahlenabfalls gibt", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die radioaktiven Belastungen zeigten, dass der begonnene Atomausstieg deutlich beschleunigt werden müsse, um die Produktion strahlender Abfälle umgehend zu stoppen.
Das Umweltministerium in Niedersachsen hält Castortransporte jedoch weiterhin für möglich. Die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), die das Zwischenlager betreibt, könne die Behälter in der Halle womöglich anders verteilen, schlug Staatssekretär Stefan Birkner (FDP) vor. Auch eine Bleiummantelung der Castoren oder das Aufstellen von leeren Behältern könnte für eine zusätzliche Abschirmung sorgen, hieß es.
Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel warnte dagegen Landesregierung und Atomindustrie, weitere Einlagerungen durch "Tricks und Manipulationen" zu ermöglichen. Die Vorschläge, Behälter an die Hallenrückwand umzustellen oder gar durch Leerbehälter abzuschirmen, seien "abenteuerliche Überlegungen".
Für Dienstag hat das Ministerium Vertreter der GNS zu einem Gespräch nach Hannover geladen. Bereits am Sonntag wollen Atomkraftgegner in Gorleben gegen weitere Castortransporte demonstrieren.
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