piwik no script img

Atommüll aus Forschungsreaktor JülichCastor-Geschiebe in NRW

Radioaktive Altlasten aus dem Forschungsreaktor Jülich sollen in das Zwischenlager Ahaus gebracht werden. Nicht nur die NRW- Regierung will diese Transporte verhindern.

Atomkraftgegner vor dem Zwischenlager in Ahaus (Nordrhein-Westfalen). Bild: dapd

BERLIN taz | Atommüll aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Jülich bei Aachen soll ins etwa 200 Kilometer nördlich davon gelegene Zwischenlager Ahaus transportiert werden. Das entschied heute der Aufsichtsrat des Forschungszentrums. Die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte sich dafür eingesetzt, den Atommüll in Jülich vor Ort zu lagern.

Zwischen 1967 und 1988 lief am Forschungszentrum Jülich der sogenannte AVR-Reaktor. Heute muss sich das Bundesland Nordrhein-Westfalen um den Verbleib der kugelförmigen Brennelemente aus dem Reaktor kümmern. Die Landesregierung hätte sich einen Verbleib der Brennelemente in Jülich gewünscht, um Gefahren durch die Transporte zu vermeiden.

Doch daraus wird wohl nichts: Das Bundesamt für Strahlenschutz hält das momentane Zwischenlager in Jülich für veraltet - die Genehmigung läuft 2013 aus. Die Landesregierung hatte im Aufsichtsrat die Errichtung eines neuen Zwischenlagers in Jülich beantragt, dies wurde jedoch heute mit den Stimmen der Bundesregierung abgelehnt.

"Wir werden prüfen, ob wir gegen diese Entscheidung rechtlich oder politisch vorgehen können", erklärt Frank Seidlitz, Sprecher des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen, der taz. "Die Spielräume für das Land sind hier aber sehr gering."

Spitzengespräch mit dem Umweltminister

Atomkraftgegner kritisieren den Transport und bezweifeln, dass die Lagerung in Ahaus sicherer ist. "Wir rufen für den 18. Dezember zu einer Demonstration vor dem Zwischenlager in Ahaus auf", sagte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen der taz. "Wir denken, dass die Transporte noch verhindert werden können, wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das jetzt zur Chefsache macht und zu einem Spitzengespräch mit Umweltminister Norbert Röttgen einlädt."

152 Castorbehälter lagern zurzeit im Zwischenlager in Jülich, diese sollen mit Schwerlasttransportern über die Autobahn nach Ahaus gebracht werden. Da immer nur zwei Behälter auf einmal transportiert werden können, bedeutet dies etwa einen Transport pro Woche.

Beim Jülicher Forschungsreaktor handelte es sich um einen Thorium-Kugelhaufenreaktor - ein Konzept, welches sich wesentlich von herkömmlichen Atomkraftwerken unterscheidet. Viele sahen damals in derartigen Reaktoren die Zukunft der Atomenergie - Thorium ist in großen Mengen vorhanden und die Reaktoren sollten gegenüber herkömmlichen Kraftwerken sicherer sein.

Diese Annahme wurde durch verschiedene Störfälle in Jülich und im ebenfalls längst stillgelegten Thoriumreaktor in Hamm-Uentrop erschüttert. Die genauen Umstände der Störfälle in Jülich sind bis heute nicht aufgeklärt. Heute steht weltweit ein einziger Kugelhaufenreaktor nahe Peking. Auch hier handelt es sich nur um ein Forschungsprojekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • JM
    Jens Müller

    Ich bin mehr oder weniger ein Anwohner[1] der - möglichen - Castortransporte.

     

    152 Castoren, maximal 2 pro Transport. 1 Transport pro Woche. Also möchte ich sagen: "Bitte nicht!"

    Das Ruhrgebiet kann diese Transporte gar nicht vertragen. Es kommt jetzt schon, täglich zum Verkehrsinfarkt.

    Egal ob per Bahn, oder per LKW. Die Strecken müssen für die durchfahrt gesperrt werden. Dann die Polizei und mögliche Demonstranten.

    Dass würde das gesamte Ruhrgebiet komplett lahmlegen.

     

    Schon alleine aus diesen Verkehrstechnischem gründen ist dieser Transport Wahnsinn und Unnötig. Ich hoffe dass, das Bundesamt für Strahlenschutz wird diese Transporte unterbinden.

    Aber als Anwohner kann man sich nicht da drauf verlassen.

     

    1.) 2 der möglichen Routen führen etwa 3km an meinem zuhause vorbei. (A3, [Ausweichstrecke: A42 - A516] A2, A31 oder die Bahnstrecke, Duisburg, Oberhausen, Bottrop - Coesfeld)

  • DV
    Dieter Vanvor

    Leider sind dem Schreiber des Artikels mehrere Fehler beim recherchieren unterlaufen. Der AVR in Jülich war kein Thorium-Kugelhaufenreaktor und die aufgetretenen Störfälle sind alle geklärt. Unabhängig davon halte ich den Transport nach Ahaus auch für unnötig. Ob die Castoren in Ahaus oder Jülich stehen ist im Prinzip egal.

    --------------

    [Antwort des Autors:

    Es handelt sich definitiv um einen Kugelhaufenreaktor. Nach Angaben des Forschungszentrums sind im Reaktor sowohl Uran- als auch Thromiumkugeln zum Einsatz gekommen. Insofern hätte man vielleicht korrekter „Uran- und Thormium-Kugelhaufenreaktor“ formulieren können, angesichts der

    Tatsache, dass die Nutzung mit Thorium wohl die wirtschaftlich

    interessantere war (die ja von einigen Fans der Technologie bis heute

    propagiert wird), denke ich, diese Bezeichnung ist legitim.

    Informationen des Forschungszentrums:

    http://www.fz-juelich.de/portal/DE/UeberUns/Verantwortung/FAQ_Transport/_node.html

     

    Zu den Störfällen, Rainer Moormann, der selbst am Forschungszentrum

    arbeitet, hat 2008 eine Studie verfasst und sieht auch heute noch eine

    Reihe von Fragen als ungeklärt an. Hier gibt es etwa Vortragsunterlagen

    von Rainer Moormann vom August:

    http://oliver-krischer.eu/detail/nachricht/veranstaltung-mit-rainer-moormann-zum-avr-juelich.html

    H.BÖCK]

  • WW
    W. Wacker

    Mir stellt sich die Frage: Warum sollen die Pastoren in NRW über die Autobahn gekarrt werden?

     

    Weil das (von der Landesregierung gewünscht) mehr Proteste provoziert?

     

    Weil die Landesregierung das Symbol "Castor per Bahn" vermeiden will?

     

    Oder gibt es irgendwelche sachliche Argumente?

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Finde ich gut das der Transport über Autobahnen stattfinden soll. Da können die Castoren ruhig durchlässiger sein umd die Autobahn zu kontaminieren. Jeder krebstote Autofahrer ist ein guter Autofahrer :)