Atomkraft: Sicher nicht sicher

Minister warnen vor Terrorgefahr und fordern, Betreiber sollen sollen die Sicherheit ihrer Kraftwerke nachweisen. Die Pannen in Brunsbüttel gehen weiter.

Auch das AKW Biblis soll nicht Terror-sicher sein. Bild: ap

KIEL/BERLIN taz Kein Tag ohne neue Probleme für Vattenfall: Am Donnerstag teilte der Energiekonzern mit, dass im Atomkraftwerk Brunsbüttel bei Kontrollen von Dübelverbindungen an einem Kühlsystem zu große Bohrungen entdeckt wurden. Der Reaktor, der bereits am Vortag wegen Problemen mit Transformatoröl heruntergefahren wurde, bleibe bis auf Weiteres vom Netz. Das zweite deutsche Vattenfall-AKW Krümmel ist seit dem Brand vor drei Wochen ebenfalls abgeschaltet.

Nach der Pannenserie wird nun der Ruf nach Änderungen am Atomgesetz laut. Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), die in dem Bundesland für die Atomaufsicht zuständig ist, plädierte dafür, die Beweislast umzukehren. Um einem Betreiber die Lizenz zu entziehen, muss der Staat bisher nachweisen, dass das Unternehmen nicht die Zuverlässigkeit besitzt, Nuklearanlagen sicher zu betreiben. Stattdessen sollte der Betreiber künftig seine Zuverlässigkeit beweisen müssen, forderte Trauernicht. "Das wäre für die Atomaufsicht ein schärferes Schwert." Vattenfall wollte sich zu einer möglichen Gesetzesänderung nicht äußern. "Das bleibt der Gesetzgebung überlassen", sagte der kommissarische Chef der Atomsparte, Reinhardt Hassa. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte nach einem Treffen mit Trauernicht in Kiel, er unterstütze ihre Forderung, halte sie derzeit jedoch politisch kaum für durchsetzbar. Gabriel: "Ich kenne die Mehrheiten im Bundestag."

Um die Union von seinem Vorschlag zu überzeugen, alte Atomreaktoren früher als geplant abzuschalten, setzt der Umweltminister nun auf ein Herzensanliegen von CDU und CSU: Die innere Sicherheit. "Wenn Herr Schäuble öffentlich auf Terrorgefahren hinweist, dann sollte die Union über das Risiko von Terroranschlägen auf Atomkraftwerke nachdenken", sagte Gabriel. "Es gibt einige, die aus unserer Sicht nur schwach oder gar nicht gegen Terror gesichert sind." Dazu zählen Brunsbüttel, Philippsburg, Isar 1 und Biblis A, weil diese nicht über eine dicke Betonhülle verfügen.

Auch aus anderen Gründen gelten alte Atomkraftwerke als besonders gefährlich. Die Reaktoren der Baulinie 69 (benannt nach dem Jahr der Konzeption), zu denen in Deutschland neben Brunsbüttel und Krümmel auch Isar 1 und Philippsburg 1 gehören, sind Siedewasserreaktoren. Anders als bei Druckwasserreaktoren gibt es bei diesen nur einen Wasserkreislauf. Die Dampfturbine wird direkt von dem im Reaktordruckbehälter erzeugten Wasserdampf betrieben, so dass der radioaktive Kreislauf nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt ist.

In alternden Anlagen nimmt zudem die Zahl von Kurzschlüssen und Kabelbränden zu, berichtete Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital gestern. Neben veralteter Technik und Materialermüdung sei ein Problem, dass viele Unfallszenarien bei der Konzeption der ersten AKWs noch unbekannt gewesen seien. Viele Sicherheitsdefizite seien aus technischen Gründen nicht zu beheben, sagte Smital. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz schätzt, dass ältere Nuklearanlagen wie Brunsbüttel "heute nicht mehr genehmigungsfähig" wären.

Beim Feuer im AKW Krümmel und den anschließenden Pannen bei der Abschaltung habe das Alter des Kraftwerks eine wichtige Rolle gespielt, sagte die Atomphysikerin Oda Becker. Die Gastprofessorin der FH Hannover hat im Auftrag von Greenpeace die offiziellen Berichte über den AKW-Brand analysiert. "Das Atomkraftwerk Krümmel ist in einem sicherheitstechnisch schlechten Zustand", lautet ihre Bilanz. Beim Ausfall der Eigenstromversorgung und des Speisewassersystems habe es unverständliche Fehler gegeben. "Die aufgetretenen Pannen waren keine unerwarteten Ereignisse." Die Reaktion auf den Vorfall habe zudem gezeigt, "dass die Betriebsmannschaft insgesamt schlecht auf einen Störfall vorbereitet ist". Für Robin Wood, BUND und Greenpeace gibt es daher nur eine Konsequenz: Krümmel und die anderen alten Reaktoren abschalten - ohne die Laufzeit der neuen zu verlängern.

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