Atomkraft und die SPD: Genossen wollen schneller abschalten
Noch stimmt die SPD Seit an Seit mit der CDU, wenn es um die Kernenergie geht. Doch im Wahlkampf will sie mit dem Atomausstieg punkten.
Neuer Störfall im Atomkraftwerk Krümmel: Am Freitag hatte eine interne Überwachungseinrichtung automatisch einen Notstromtransformator abgeschaltet. Dies teilte ein Sprecher des für die Atomaufsicht zuständigen schleswig-holsteinischen Sozialministeriums mit. Das Atomkraftwerk ist wegen technischer Mängel nun schon fast zwei Jahre abgeschaltet, ein Wiederanfahren derzeit nicht in Sicht.
Und dennoch werden Krümmel und die anderen Reaktoren in Deutschland spätestens im Bundestagswahlkampf heiß diskutiert werden. Denn: Die SPD will den Ausstieg aus der Atomkraft beschleunigen und sich damit von der Union abgrenzen. Im Entwurf für das Wahlprogramm fordere die Partei das Abschalten aller Altreaktoren bis 2013 und die Einführung einer Kernbrennstoffsteuer. Das Handelsblatt zitiert den Entwurf so: "Wir wollen, dass bis 2013 alle Altreaktoren vom Netz gehen, die konzeptionell nicht mehr dem Stand der realisierten Technik entsprechen und gegen Terrorangriffe schlechter geschützt sind als die neueren Anlagen." Der SPD-Umweltpolitiker Frank Schwabe erläuterte der taz: "Wir werden den Wählerinnen und Wählern klarmachen, dass es nur mit einer regierenden SPD ein Festhalten am Atomausstieg geben wird." Ältere AKWs früher abzuschalten, um die im Ausstiegsgesetz festgelegten Reststrommengen auf jüngere, sicherere Anlagen zu übertragen, sei eine "Frage der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft".
Im geltenden Atomgesetz gibt es diese Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Reaktoren nicht. Dort wird jedem Atomkraftwerk eine bestimmte Reststrommenge zugeschrieben. Sobald diese Strommenge verbraucht ist, erlischt die Betriebsgenehmigung - unabhängig von der Bauart. Voraussichtlich geht demnach der letzte Reaktor 2021 vom Netz.
Zusätzlich wollen die Sozialdemokraten eine Kernbrennstoffsteuer einführen, um die Monopolgewinne aus den abgeschriebenen und subventionierten AKWs zu reduzieren. Die Einnahmen sollen demnach "vollständig für die Finanzierung dringend notwendiger Energieeffizienzmaßnahmen und damit zur Entlastung aller Endkunden zur Verfügung stehen". Ein Parteisprecher wollte den Bericht des Handelsblatts weder bestätigen noch dementieren. Das Wahlprogramm werde am 18. April verabschiedet, erst dann würden die Inhalte festgelegt.
Das es sich beim Vorstoß der SPD um Wahlkampf handelt, haben die Sozialdemokraten in der vergangenen Woche deutlich gemacht: Im Bundestag stimmten sie am Donnerstag gegen einen Antrag der Grünen, alte Atomkraftwerke wie Biblis in Hessen oder Krümmel in Schleswig-Holstein wegen wiederholter technischer Pannen vom Netz zu nehmen. Der Antrag war von der Linkspartei unterstützt worden, sodass im Falle einer SPD-Zustimmung der Antrag eine Mehrheit gefunden hätte.
Andererseits hätte eine SPD-Zustimmung gegen den Koalitionspartner vermutlich zu einer ernsthaften Regierungskrise geführt: Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, am Status Quo nicht zu rütteln, und als dieser gilt der Atomkonsens.
Denn auch die Union will auf dem Energiefeld beim Wähler punkten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte in ihrer aktuellen Videobotschaft, "dass wir Schritt für Schritt fossile Energieträger bei der Erzeugung von Energie ersetzen müssen". Das Reizwort "Atom" kam der CDU-Chefin dabei nicht über die Lippen.
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