Atomklaft fül alle : WARUM BRAUCHT CHINA ATOMKRAFT?
Nutzung mit militärischem Ursprung
BERLIN taz ■ Das schon von Mao Tse-tung initiierte Atomprogramm der Volksrepublik China ist militärischen Ursprungs. Erst nach dem ersten chinesischen Atombombentest 1964 wurde es um eine zivile Komponente erweitert. Heute betreibt China drei Atomreaktoren: seit 1991 den 300-MW-Reaktor Qinshan aus überwiegend eigener Produktion in der Nähe von Shanghai und seit 1996 den 2.000-MW-Doppelreaktor Daya Bay von Famatome in 60 Kilometer Entfernung von der Sonderzone Hongkong, wo auch ein Großteil des Atomstroms verbraucht wird.
Der mit Hilfe von Westinghouse und Framatome ausgestattete Reaktor Qinshan ging nach einem Zwischenfall 1998, der erst ein Jahr später bekannt wurde, im August 1999 wieder ans Netz. Auch Daya Bay hatte öfter mit Problemen zu kämpfen.
Sechs weitere Atomkraftwerke sind derzeit in China im Bau oder in konkreter Planung, darunter Reaktoren aus russischer, kanadischer und französischer Produktion. Der Anteil des Atomstroms an der chinesischen Energieversorgung soll von zur Zeit einem auf fünf Prozent im Jahr 2020 steigen und damit weit weniger als chinesische Planer und westliche Atombosse noch vor wenigen Jahren gehofft hatten.
Während westliche Atommanager in China lange den großen Markt witterten, träumten Chinas Machthaber außer vom Prestige vor allem von energiewirtschaftlicher Autarkie. Die Volksrepublik wurde schon 1995 zum Nettoölimporteur und wird mit steigender Wirtschaftskraft auf absehbare Zeit zunehmend Energie verbrauchen.
Chinas Hauptenergieträger bleibt jedoch die Kohle, die drei Viertel des Eneregiebedarfs abdeckt. Sie wird vor allem im Nordosten abgebaut, während die südlichen und östlichen Küstenprovinzen die Regionen mit dem größten Energiebedarf sind. Die Kohle führt neben der enormen Umweltbelastung auch zu großen Transportproblemen. Doch Kohle ist außer wegen ihrer großen Reserven vor allem wegen ihres verhältnismäßig geringen Preises attraktiv, der nicht einmal halb so hoch wie die Atomenergie ist. Da die jüngste Umstrukturierung der staatlichen chinesischen Atomindustrie verstärkt wirtschaftliche Gesichtspunkte betont, reduziert dies die Chancen für eine starke Ausweitung des Atomprogramms. Umstritten ist auch der Ausbau der Wasserkraft im großen Stil, da für den im Bau befindlichen Drei-Schluchten-Damm am Jangtse bis zu 1,8 Millionen Menschen umgesiedelt werden müssen. SVEN HANSEN
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