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Atom–Ausstieg nur auf dem Papier

■ Wirtschaftsminister Bangemann und Umweltminister Wallmann lassen an Öko–Gutachten kein gutes Haar / RWI–Gutachten als Beweis für Notwendigkeit von AKWs propagiert / Autoren der alternativen Gutachten kritisieren Prognosen der RWI–Studie

Aus Bonn Ursel Sieber

Wirtschaftsminister Bangemann hat sich gestern eindeutig für das in seinem Auftrag erstellte Gutachten des atomenergie–freundlichen Rheinisch–Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) entschieden und einen längerfristigen Ausstieg aus der Atomenergie für absolut unmöglich erklärt. Das RWI–Gutachten berechnet bei einem längerfristigen Ausstieg zwar nur eine geringe Erhöhung der Strompreise um 0,04 Pfennig pro Kilowattstunde im Jahre 1990 und 0,9 Pfennig im Jahre 2010. Nur diese Passage des RWI–Gutachtens legt einen möglichen längerfristigen Ausstieg nahe. Doch auch davon grenzt sich das Ministerium in seiner Stellungnahme ab. Trotz niedriger Stromkosten, heißt es, seien „gravierende Konsequenzen für Wachstum, Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung der deutschen Wirtschaft zu befürchten“. Auch Umweltminister Wallmann sagte gestern in Bonn, an dem Konzept der Bundesregierung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie wird sich nichts ändern. Völlig unterschlagen sind damit die Ergebnisse des zweiten, ebenfalls im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellten Gutachtens, das vom Berliner Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit dem Ökoinstitut Freiburg erarbeitet wurde. Im Gegen satz zum RWI–Gutachten hält diese Studie nicht nur einen längerfristigen, sondern auch einen kurzfristen Ausstieg für möglich. Ein Ergebnis, das in der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums in drei Nebensätzen abgehandelt und darüberhinaus als „mehr politisch ausgerichtete Auswertung bereits bekannter Untersuchungen“ disqualifiziert wird. Die Folgen für Umwelt und Wirtschaft bei einem kurzfristigen Abschalten (bis Ende 86) beschreibt das RWI–Gutachten als Horrorvision: Realisierbar sei er nur „unter Inkaufnahme erhöhter Risiken für die jederzeitige Versorgungssicherheit“. Die Emissionen würden bei Schwefeldioxid um 38%, bei Stickoxyden um 41% ansteigen. Der Strompreis würde vor allem in den ersten fünf Jahren um bis zu 4,1 Pfennig pro Kilowattstunde steigen, später allerdings wieder auf 3,1 Pfennig sinken. Kurzfristig sei ein um 1 bis 1,5 % geringeres Bruttosozialprodukt, ein durchschnittlicher Rückgang um 100.000 Arbeitsplätze und ein Anstieg der privaten Lebenshaltungskosten um 0,6% zu erwarten. Für die Stahlindustrie etwa prognostiziert das RWI weitere Wettbewerbsnachteile infolge höherer Strompreise. Auch bei einem langfristigen Ausstieg (bis zum Jahre 2010) sieht das RWI einen erheblichen Anstieg der Schadstoffbelastungen, bei Schwefeldioxyden und Stickoxyden um 70%. Diese Prognosen des RWI basieren allerdings auf Annahmen, die Martin Jänicke und Lutz Metz vom ökologischen Institut für Wirtschaftsforschung als so nicht haltbar bezeichneten. So unterstellt die RWI–Studie nach Darstellung von Professor Schneider die jetzt geltenden Festlegungen der Großfeuerungs–Anlagen– Verordnung auf Dauer. Die Studie unterstelle auch, daß die Verhaltensweisen der Menschen gleich blieben, sagte Schneider. Fortsetzung auf Seite 2 Ferner wird davon ausgegangen, daß der Stromverbrauch bis zum Jahre 2010 um 30% ansteigt. Die RWI–Studie basiert außerdem darauf, daß die AKWs allein durch herkömmliche Kraftwerke, vor allem durch Steinkohle und nicht etwa durch Alternativenergien oder Kraft–Wärme–Koppelung ersetzt werden. Professor Schneider nannte auch eine weitere Prämisse der RWI–Studie: Er gehe davon aus, „daß die Sicherheit der AKWs im Sinne einer Verhinderung eines Unfalls a la Tschernobyl in der BRD gegeben ist“. Ferner seien industriepolitische Aspekte zu berücksichtigen: Bei einem Ausstieg aus der Atomenergie könnte insgesamt die Entwick lung neuer Technologien wie der Biotechnik infrage gestellt sein. Das Problem dieser Ausstiegsszenarien seien die unhaltbaren Prognosen, so die Vertreter der ökologisch orientierten Institute in der anschließenden Pressekonferenz. So müsse angezweifelt werden, daß Atomstrom billiger sei als andere Energiequellen, sagte Martin Jänicke. Die Alternative zum Atomstrom liege „in der Mobilisierung des vorhandenen Stromeinsparpotentials“, das nach Stefan Kohler vom Freiburger Ökoinstitut für den Haushaltsbereich bis zu 58 % beträgt. Die andere Alternative liege in der Wärme–Kraft–Koppelung und eben nicht, wie die RWI–Studie unterstelle, im bloßen Ersatz durch fossile Kraftwerke. So kommt diese Studie - bei einem mittelfristigen Ausstieg - denn auch zu völlig anderen Zahlen: 1995 könnten dann die Schwefeldioxide um 92 %, die Stickoxide um 80 % sinken. Voraussetzung sei allerdings, daß z. B. die Novellierung der Großfeuerungsanlagen–Verordnung tatsächlich durchgezogen werde. Die Zahlen der RWI–Studie bezeichnete Jänicke als unredlich, da die radioaktiven Emissionen aus AKWs oder die Atommüllproblematik nicht berücksichtigt seien. Bei einem kurzfristigen Ausstieg prognostiziert diese Studie vorübergehend einen Anstieg von Stickoxiden und Kohlendioxiden. Hier könne aber z.B. ein Tempolimit „schnelle Entlastung“ bringen. Die Erhöhung der Strompreise werde bei einem mittelfristigen Ausstieg gegen Null tendieren. Der Grund für die höheren Stromkosten in der RWI– Studie seien auch hier wieder die Prognosen: In den Preisen für den Atomstrom seien z. B. die Entsorgungskosten viel zu niedrig und die volkswirtschaftlichen Risiken eines möglichen Super–Gaus gar nicht einbezogen. Diesen Vorschlag Brolls möchte Hermann Fellner noch durch eine weitere Grundgesetz–Änderung ergänzt wissen: würde der Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes geändert, könnte eine einzige Verwaltungsinstanz sowohl über Anerkennung als auch über Beschwerden abgelehnter asylsuchender Flüchtlinge entscheiden. Der Rechtsweg wäre damit ausgeschlossen. Die praktischen Folgen derartiger Eingriffe wurden prägnant umrissen: Flüchtlinge beispielsweise aus dem Libanon oder Indien würden von vornherein als Asylsuchende abgelehnt, weil, so Broll, in diesen Ländern nur innere Unruhen bzw. Bürgerkrieg herrsche, aber keine staatliche politische Verfolgung stattfinde. Daß diese Vorschläge bereits publikumswirksam den Wahlkampf einleiten sollen, wurde durch eine ebenfalls auf der Pressekonferenz verteilte Statistik „Tatverdächtigenanteile Nichtdeutscher“ deutlich. Mit simplen Mitteln (aus dem Zusammenhang gerissene Zahlen, Konzentration auf den Verdacht statt auf den Nachweis) wird suggeriert, daß Ausländer im Allgemeinen, Flüchtlinge im Besonderen überproportional häufig Straftaten begehen. Auf die Ideen Brolls angesprochen, betonte CDU–Sprecher Merschmeier, daß diese nicht im Wahlkampfprogramm enthalten seien. Er verstehe sie als Vorschläge, die im Zusammenhang mit der Konferenz der Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler am 25. September stattfinden wird: „Da kommen jetzt natürlich alle möglichen Entwürfe auf den Tisch“. Er könne sich aber nicht vorstellen, daß diese für den CDU–Wahlkampf übernommen würden. Der Obmann der SPD–Fraktion im Bundestags–Innenausschuß, Wilhelm Nöbel, kritisierte die „konfusen Vorstellungen“ der Unionsparteien zur Grundrechtsänderung und merkte an, daß die Vorlage einer Statistik über Ausländerkriminalität in Zusammenhang mit der Asyldebatte „an das Schüren von Ausländerhaß“ grenze.

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