Asyl: Kontrolleure müssen draußen bleiben
Russische Migrationskontrollbeamten sollen Asylanlaufstellen besuchen. Der Flüchtlingsrat protestiert gegen den Besuch der Delegation.
Hochoffizielle Gäste der Europäischen Union aus Russland werden in Berlin zum Ärgernis: Auf das Schärfste hat der Berliner Flüchtlingsrat gegen den geplanten Besuch von Vertretern der Migrationskontrollbehörde Russlands und der russischen Botschaft in Berliner Anlaufstellen für Asylsuchende protestiert. Solche Orte verlören ihren „Schutzcharakter“ für geflüchtete Menschen, heißt es in einer Pressemitteilung des Flüchtlingsrates dazu, wenn diese dort Gefahr liefen, „in ihrem Hausflur auf Vertreter ihres Verfolgerstaates zu treffen“.
Der für den heutigen Montag angesetzte Besuch der Russen findet im Rahmen des Visumsdialogs zwischen der Europäischen Union und Russland und auf Betreiben des Bundesministeriums des Innern (BMI) statt. Er sei Teil eines EU-Besuchsprogramms der russischen Delegation, bei dem „üblicherweise auch Einrichtungen/Institutionen/etc. besucht“ würden, „um einen Einblick in die Migrationspraxis zu geben“, heißt es in einer schriftlichen Antwort der Pressestelle des BMI auf eine Anfrage der taz. In Berlin organisiert das Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) die Erstversorgung und Unterbringung von Asylsuchenden.
Von dem ersten Plan, die russischen Migrationskontrolleure in eine Sammelunterkunft für AsylbewerberInnen zu führen, hatten LaGeSo und BMI nach den heftigen Protesten des Flüchtingsrates noch am späten Freitagnachmittag Abstand genommen. Statt dessen soll die Delegation nun im Dienstgebäude des LaGeSo an der Moabiter Turmstraße empfangen werden. Es werde dabei zu „keinerlei Kontaktaufnahme“ zwischen den russischen Besuchern und Flüchtlingen kommen, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales am Freitag der taz: Die Verwaltung zeige damit „durchaus Sensibilität für das Thema“.
Begegnung unvermeidlich
Dem Flüchtlingsrat reicht das allerdings nicht: Im Dienstgebäude des Landesamtes befänden sich nicht nur die Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende, sagt Georg Classen von dem Gremium, sondern auch viele Leistungsstellen, die von Asylsuchenden frequentiert würden. Es sei deshalb gerade im Eingangsbereich des Gebäudes unvermeidlich, dass es zu Begegnungen von Flüchtlingen mit der Delegation käme. Er fordert, das Treffen in das nahe gelegene Innenministerium zu verlegen.
Zumindest bei LaGeSo-Chef Franz Allert hat der weitere Druck des Flüchtlingrates Erfolg: „Wir werden am Montagmorgen dem BMI den Vorschlag unterbreiten, dass die Informationen über die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in den Räumen des BMI gegeben werden“, sagte Allert am Sonntag der taz. Er hatte zuvor bereits den Plan, die russischen Beamten in eine Asylunterkunft zu führen, als „weder sinnvoll noch feinfühlig“ bezeichnet.
Flüchtlinge aus Russland sind derzeit die größte und am schnellsten wachsende Gruppe von Asylsuchenden in Deutschland und in Berlin. Erst am Donnerstag hatte sich in den Niederlanden der russische Oppositionelle Alexander Dolmatov aus Angst vor der Abschiebung nach Russland das Leben genommen.
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