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Aslı Erdoğan darf nach OsnabrückDie angeklagte Journalistin

2016 wurde sie festgenommen, nun darf sie doch zu einer Preisverleihung nach Osnabrück anreisen: die türkische Journalistin und Schriftstellerin Aslı Erdoğan.

Die preisgekrönte türkische Autorin Asli Erdogan blickt auf einer Preisverleihung der Union der türkischen Herausgeber Foto: dpa

Die türkische Journalistin und Schriftstellerin Asli Erdoğan ist weltweit bekannt geworden, als sie 2016 in Folge des gescheiterten Militärputsches in der Türkei festgenommen wurde. Am Freitag erhält sie den mit 25.000 Euro dotierten Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis in Osnabrück. Entgegen vorherigen Erwartungen kann sie nun doch persönlich teilnehmen.

Die 50-Jährige studierte zunächst Informatik und Physik in Istanbul. Anschließend forschte sie am europäischen Kernforschungszentrum in Genf. 1996 kehrte sie in die Türkei zurück und widmete sich ihrer schriftstellerischen Arbeit. Für ihre Kolumnen und Bücher wurde sie bereits mehrfach international ausgezeichnet.

Nach der Verhaftung im August 2016 zusammen mit mehreren Kollegen wurde sie im Dezember wieder freigelassen. Eine Klage gegen sie wegen Terrorvorwürfen läuft noch. Da sie ihren Reisepass nicht zurück erhielt, obwohl ihre Ausreisesperre aufgehoben wurde, war ein Besuch in Deutschland dennoch nicht möglich. Daher war für die Preisverleihung eine Videoschaltung geplant.

Vor zwei Wochen erhielt die Journalistin überraschend ihren Pass zurück. Ein Vertreter der Stadt Osnabrück hatte zusammen mit der Jury und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels einen Brief an Präsident Erdoğan geschrieben, in dem sie darum baten, die Schriftstellerin für die Verleihung des Preises ausreisen zu lassen. Ob dies tatsächlich zur Ausstellung des Passes beigetragen hat, ist unklar.

Ihre Texte drücken das Leid der Bevölkerung aus

Die Jury verleiht AslıErdoğan den Preis insbesondere im Hinblick auf ihre jüngst erschienene Essaysammlung „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“. Sie befasse sich mit genau den Themen, die die Spannungen in und mit der Türkei ausmachten. Die Texte seien weniger konkret politisch, als dass sie das Leid der Bevölkerung ausdrückten. Besonders ihr Blick aus der weiblichen Perspektive und die Kombination aus Verzweiflung und Mut überzeugte die Jury.

Gestern beantwortete sie bereits Fragen von Journalisten und nahm an einer Diskussion in der Universität teil. Der seit 1991 alle zwei Jahre verliehene Preis wird ihr heute im Friedenssaal des historischen Rathauses überreicht.

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1 Kommentar

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  • „Ihre Texte drücken das Leid der Bevölkerung aus“

     

    Von dem Leid erfahren wir nur, wenn Menschen wie Frau Aslı Erdoğan sich einer großen Gefahr aussetzen und darüber schreiben. Viele Verbrechen werden jedoch immer noch von ganz oben in mehreren Ländern blockiert oder kommen nicht an die Weltöffentlichkeit wegen „Zurückgebliebenheit“ dieser Länder.

     

    Herr Erdogan viel unseren Wahlkampf beeinflussen. Soll man auf ihn hören? Nein, weil er in der Türkei für viele katastrophale Umstände verantwortlich ist!

     

    In der Türkei tötete ein Busfahrer eine Passagierin. Ein Aufschrei der Frauen ging durchs Land – ihre Wut richtet sich gegen die Politik der Männer.

    http://www.taz.de/!5019924/

     

    In vielen Länder wie Türkei, Russland, USA, in Afrika gibt es viel Menschenleid, worüber Journalisten schreiben.

     

    Wir wissen z.B. nicht ganz genau, wie viele Menschen und besonders Kinder unterschiedlicher Nationalitäten dem Organhandel zum Opfer fielen oder immer noch fallen und wer davon genau profitiert. Und dabei sind Verbrechen in Kosowo bestimmt nicht die Einzelnen, die so gravierend waren. Wüssten die Geheimdienste vieler Länder von solchen Verbrechen? Bestimmt. Warum wird nicht eingegriffen? Sind so etwas noch innere Angelegenheiten, das man sich nicht einmischen soll?

     

    Wenn wir viel mehr unzensierten Wahrheit wüssten, würden die Gesellschaften sie ertragen? Soll man dann darüber weiterhin so ungefiltert schreiben?

     

    Ja! Damit die Zukunft frei davon gestaltet werden kann!