Arzt über Honorarreform: "Im Westen immer noch mehr Geld"

Der Osten ist der Gewinner der Honorarreform, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Ärzteverbandschef. Am Ziel sei man aber noch nicht.

Viele Ärzte bekommen weniger Geld pro Patient. Bild: ap

WOLFGANG ECKERT, 65, ist seit 1997 Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mecklenburg-Vorpommern und Allgemeinmediziner in Rostock.

Für zahlreiche Arztpraxen niedergelassener Ärzte werden die Honorare auch im zweiten Quartal 2009 weiter schrumpfen, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Dadurch sinken die Einkünfte nochmals gegenüber dem ersten Quartal dieses Jahres. Zwischen April und Mai rechnen hessische Dermatologen und Berliner Orthopäden mit Einkommensverlusten von rund 25 Prozent. Allerdings werden die Honorareinbußen zwischen den einzelnen Regionen und ärztlicher Fachrichtung sehr unterschiedlich ausfallen. Ursache für die erwarteten Einbußen sollen neben der neuen Honorarordnung auch die geringere Anzahl der Arbeitstage sein. Damit verschärft sich der Konflikt zwischen Medizinern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen. Mit einer außerordentlichen Vertreterversammlung am 26. März wollen die siebzehn Kassenärztlichen Vereinigungen Druck auf das jetzige System ausüben.

taz: Herr Eckert, die ostdeutschen Ärzte gelten als die Gewinner der Honorarreform. Wie geht es Ihnen und Ihren KollegInnen?

Wolfgang Eckert: Die Reform hat Entscheidendes erreicht: Im Osten gibt es prozentual deutlich mehr chronisch Erkrankte als im Westen. Die Quote der chronisch Kranken, die sogenannte Morbiditätsrate, wird nun stärker berücksichtigt. Über Jahre wurde diese zusätzliche Belastung kaum berücksichtigt. Die Kassen haben im Westen pro Patient noch immer mehr Geld zur Verfügung als im Osten. Nur weil sich im Westen mehr Ärzte das Honorar teilen müssen, bekommen die Ärzte im Osten durch die Reform nun deutlich mehr Einnahmen. Aber wenn die Zahl der Mediziner in Ostdeutschland steigt, wird sich das wieder ändern.

Gibt es denn andere Staaten, in denen es besser läuft?

In den Niederlanden fließen deutlich mehr Mittel in Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeitsrate. Denn dort sind auch überdurchschnittlich viele Menschen chronisch krank. Wenn 2010 die nächste Honorarreform ansteht, müssen wir solche Dinge stärker berücksichtigen.

Sie zählen zu den Gewinnern der Reform. Was halten Sie von den Protesten Ihrer Kollegen in Süddeutschland, die die Neuregelung rückgängig machen wollen?

Ich kann verstehen, wenn der Arzt in Oberbayern zehn Prozent mehr haben will, weil er in der Zeitung gelesen hat: "Es gibt zehn Prozent mehr." Aber so einfach wie bei Lehrer- oder Metallerstreiks ist es natürlich nicht, die Verteilung ist bei Ärzten komplizierter. Das ist der Webfehler der Reform.

An der Reform mitgearbeitet hat Ihr Dachverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Trägt sie eine Mitschuld an der jetzigen Verwirrung?

Nicht unbedingt. Früher haben allein die Kassenärztlichen Vereinigungen die Honorare unter den Ärzten verteilt. Da bekamen ärmere Ärzte auch mal Ausgleichszahlungen. Heute aber sitzen die Krankenkassen mit am Tisch. Und die wissen: Verteilen sie weniger Geld an die Mediziner, bleibt mehr für sie.

Ärzteverbände sagen seit langem, im Osten drohe ein Mangel an niedergelassenen Ärzten, weil sie dort zu wenig verdienten - vor allem in ländlichen Gebieten. Ist diese Gefahr fürs Erste gebannt?

Das zusätzliche Geld bringt uns noch keine neuen Ärzte. Das Image des armen Ostens bleibt uns ja erst mal erhalten. Wir können aber künftig bei jungen Ärzten damit werben, dass man im Nordosten genauso viel Geld verdienen kann wie im Südwesten.

INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.