Arte-Doku über die Berliner Mauer: Emotionsarme Funktionäre
Die Doku "Geheimsache Mauer" erinnert an die deutsche Teilung vor 50 Jahren. Das Problem ist die Auswahl der Zeitzeugen – denn die Opfer geraten aus dem Blick.
"Das Schwein ist durch. Er ist ein Feind", sagt der DDR-Politoffizier über einen, der die Berliner Mauer überwand. Und dessen Blutspuren noch an den Steinen klebten. Klaus-Peter Renneberg, vor dem Mauerfall Politoffizier bei den DDR-Grenztruppen, ist sicherlich der übelste der DDR-Funktionäre, die im Film "Geheimsache Mauer" über ihre "Arbeit" reden. Die Autoren, Christoph Weinert und Jürgen Ast, haben einen Film gemacht, der nicht leicht zu konsumieren ist. Er erzählt nämlich aus der Perspektive derer, die für den Bau der Mauer verantwortlich waren.
Was heißt das? Die Mauer, also eine massive, unüberwindliche Teilung der beiden Berliner Stadthälften, musste gebaut werden, das sagen viele der Zeitzeugen im Film. Helmut Müller, damals SED-Funktionär, nimmt sogar Walter Ulbricht in Schutz. "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", sagte der, und er sei ehrlich dieser Meinung gewesen. Man habe sie nämlich zunächst aus Stacheldraht errichten wollen. Außerdem, sagt Autor Jürgen Ast nachträglich in der Diskussion, habe Chruschtschow sowieso eine weitere Blockade Westberlins favorisiert. Notfalls, indem man alliierte Flugzeuge abschieße.
Eine brisante Thematik also. Der rbb, der MDR, arte und die beteiligten Filmförderungen haben für diesen Film viel Geld ausgegeben. Die Animation, geliefert aus Frankreich, sieht neu und rasant aus, vier Leute waren allein für die Recherche zuständig, für die Musik weitere vier. Tatsächlich sind auch wunderbare Archivbilder gefunden worden. Mit Schauspielern aufwendig inszenierte "Re-Enactments" gestatten Blicke in die verschiedenen Hauptquartiere, in denen die Mauer und die Verfolgung der "Grenzverletzer" geplant wurden.
Es knallt also ordentlich, es geht fetzig voran, und so denkt man bald auch: Die Mauer musste ja gebaut werden, sie war ja eine "offene Wunde der DDR" - so der Filmkommentar. Wunden muss man heilen. Ein unbehagliches Gefühl aber bleibt.
Keine "humanistische Regungen"
Später kommen dann einige zu Wort, die gelitten haben unter der Mauer. Der bei seiner Flucht durch die Spree gerade 15 Jahre alte Erfurter Schüler beispielsweise - er wurde von 17 Kugeln getroffen und überlebte nur knapp. Die an der Mauer erschossenen "Flüchtlinge" Günter Litfin und Peter Fechter kommen vor. Auch der Grenzer, der eigentlich nicht schießen wollte und dann doch schoss.
Und dann wieder der Politoffizier, Klaus-Peter Renneberg, der die Verantwortung für diese Taten eben den Toten zuweist. "Dass er dort an der Stelle ist, macht ihn zum Straftäter, und wir haben diese Straftat zu verhindern", sagt er im Film. "Humanistische Regungen" habe er nicht gehabt. Er fand also das Erschießen von Menschen hier in Ordnung.
Die Autoren vermeiden jede Kommentierung dieser ungeheuerlichen Aussagen. Sie gehen vom "klugen Zuschauer" aus, wollen "nicht besserwisserisch" (Weinert) sein. Doch kann man einen Film so "bauen", dass die "schlimmen" Aussagen für sich sprechen?
Das Problem ist die Auswahl der Zeitzeugen. Vielleicht waren die Redakteure der vielen Opferfilme überdrüssig - sie wollten mal was Neues. Doch wenn man so viele Begründer der Mauer interviewt, einen Film stark mit ihnen anfängt, geraten die Opfer aus dem Blick. Natürlich werden sie, später im Film, erwähnt, wirkt die ehemalige Kindergärtnerin stark, die die Kinder der festgenommenen "Flüchtlinge" versorgen musste.
Aber im Gedächtnis bleiben die selbstgefälligen Mienen der DDR-Funktionäre, die von "Vorkommnissen" sprechen, die von den westlichen Medien "sofort aufgebauscht" wurden. Als hätten hinter diesen "Vorkommnissen" nicht tragische Schicksale gestanden. Sie stärker in Bild und Ton zu bringen wäre die Aufgabe eines Films gewesen, der den Untertitel trägt: "Die Geschichte einer deutschen Grenze".
Freitag, 29. Juli, 21.40 Uhr, Arte
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