Arte-Doku über Außenseiter: Nacht der Sonderlinge
Geek oder Nerd – was ist das eigentlich? Die „Geek Night“ auf Arte verkündet den Vormarsch der Underdogs – erklärt das Phänomen allerdings nicht.
BERLIN taz | Ein bisschen Krieg der Sterne, ein bisschen Herr der Ringe, Spielkonsole in der Ecke, Animé-Poster an der Wand und sorgfältig gelagerte Comic-Originale im Regal: Irgendwo hier hat er sein natürliches Habitat, dieser „Geek“, dem Arte am Samstag ein paar Stunden Programm widmet. Moment, Gee-was?
„La revanche des geeks“ ist der ursprüngliche Titel der Doku „Nerd-Alarm!“ (ab 0.20 Uhr), produziert bereits im Jahr 2011 von Arte Frankreich und nun so etwas wie das Herzstück des Themenabends.
Was ein „geek“ ist und was ein „nerd“, beides dem amerikanischen Englisch entlehnt, und dass diese beiden zwar verwandt sind, aber nicht dasselbe: Dieses Wissen muss das Publikum mitbringen. Erklärt bekommt es das vom Kultursender seines Vertrauens nur so irgendwie.
„Geek Night“ auf Arte, Samstag, 25. Januar, ab 20 Uhr.
Es scheinen irgendwie Science-Fiction- oder Fantasy-Fans zu sein, Brillen tragende Computertypen mit schlechter Haut. Mädchen? Die gibt’s offenbar kaum in dieser Welt zwischen Rollenspielrunde und Informatik-AG, die hier weniger erklärt wird als vorgeführt. So weit, so unscharf.
Dabei geht Arte seine „Geek Night“ mit einer interessanten Behauptung an: Die Underdogs von einst, die von den Sportskanonen verspotteten Schulhof-Loser mit den merkwürdigen Hobbys, sie seien „auf dem Vormarsch“, lässt der Sender ausrichten, hätten sich zu einer „erfolgreichen Gattung gemausert“.
Die Revanche der Geeks
Wie zum Beweis sind in der Doku „Nerd-Alarm!“ auch Microsoft-Gründer Bill Gates und Apple-Ikone Steve Jobs zu sehen: Stellvertreter einer ganzen Generation von ehemaligen Sonderlingen, für deren Erfindungen und Gadgets inzwischen auch die Sportskanonen Schlange stehen. Das wäre dann also der späte Sieg, die Revanche der Geeks.
Eröffnet wird die „Geek Night“ um 20 Uhr mit einer ebenfalls schon älteren Dokumentation, ja Belobhudlung des „Kriegs der Sterne“ -Universums: „Star Wars – die Saga“ war für Regisseur Kevin Burns schon die zweite Befassung mit jenem so einflussreichen Sci-Fi-Kosmos.
Wie aus einer in die Zukunft verlegten Heldenreisen-Variation, 1977 in die Kinos gekommen, ein derart Popkultur prägendes Merchandising-Wunder wurde, deutet der Film mehr an, als dass er es erklärte – dabei wäre ja gerade eine genauere Beschäftigung mit dem Fantum, mit all den Spielfiguren und Raumschiffmodellen, Comic- und Computerspiel-Adaptionen das Scharnier zum Thema des Abends gewesen.
So bleibt es bei einem Gedanken, den die New Yorker Kunst-Professorin Joan Breton Connelly formuliert: Hat nicht derjenige, der über „Star Wars“ nachdenkt und seine Interpretationen anstellt, Teil am Erschaffen des Mythos, an der Dichtung?
Sonderlinge als Gegenstand des Amüsements
Wäre die Welt der Senderechte und TV-Lizenzen eine andere, Arte hätte vielleicht ein paar Folgen von „The Big Bang Theory“ zeigen können: Die Sitcom, deren jüngste Staffel gerade bei Pro 7 anlief, ist insofern ein Beleg für den Aufstieg der Nerds und Geeks, als sie darin nicht mehr nur Nebenfiguren und Spottobjekte sind, sondern das tragende Personal stellen.
„The Big Bang Theory“ taucht nun nur ganz kurz auf in „Nerd-Alarm!“, immerhin verbunden mit der interessanten Frage, ob der immense Erfolg der Serie nicht damit zu tun hat, dass die meisten Zuschauer eben doch über die Hauptfiguren lachen, nicht mit ihnen.
Ob die Sonderlinge mit dem hohen IQ und dem skurrilen Mangel an sozialer Kompetenz, ob Nerds und Geeks nun aber mehr als bloßer Gegenstand von Amüsement sind – darüber scheinen sich auch die Programmmacher bei Arte nicht ganz sicher zu sein.
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