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■ H.G. HolleinArschkarte

Die Tage, die ich durchlebe, sind gelegentlich voller Unbill. Etwa, wenn die Katze, die mich duldet, ihr Frühstück noch einmal überdenkt und mir ihren Mageninhalt als dampfenden Brei vors Bett deponiert. Verschlafenen Fußes im anverdauten warmen Whiskas stehend verzage ich jedoch nicht, schnelle mich vielmehr ebenso behende wie anmutig in Richtung Dusche. Dort trifft es sich gut, daß sich das Haarfärbemittel der Gefährtin an der üblicherweise dem Shampoo vorbehaltenen Stelle meinem kurzsichtigen Tasten zum Griffe darbietet. Was soll's? Ein leichter Blaustich auf Stirn und Ohren läßt mich eben endlich so unterkühlt aussehen, wie es mir gefährtinnenseitig bisweilen ohnehin vorgeworfen wird. Daß infolge eines trotzdem stattgehabten nächtlichen Liebes-taumels auch meine Brille an ungewohnter Stelle zur Ablage kam, verleiht meinem Aufbruch in die Außenwelt danach etwas geradezu Symbolhaft-Suchendes. Von einem Nieselregen unnötig erfrischt, betrete ich mit hiobshafter Gefaßtheit das Büro, in dem ich täglich sitze. Und so schleudere ich denn der personellen Schneise der Verwüstung, die sich mir als Hinterlassenschaft der apokalyptischen Reiter Ischias, Weisheitszahn, Berufsschule und Bildungsurlaub öffnet, ein entschlossenes „Handeln als Chance“ entgegen. Nachdem ich den Arbeitstag in diesem Sinne unter kluger Streuung von „Ja“, „Nein“ und „Weiß nicht“ administrativ bewältigt habe, gedenke ich, mich bei der Wahl der abendlichen Atzung schadlos zu halten. Wider besseres Wissen entscheide ich mich für ein mir vertrautes indisches Take-Away und kehre mit zweimal Mango Chutney, vier Nan-Broten, zweimal Salat und keinmal Chicken Bihriani in die hungrig ausgestreckten Arme der Gefährtin zurück. Dort aber – o Wunder – finde ich Trost. Nachdem ich ihr laut mein Leid geklagt, streicht mir die Gefährtin sanft übers schüttere Haupthaar und sagt nur leise: „Mein armer kleiner Blaubär!“

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