Armenien-Resolution der USA: Ankara vs. Washington
Die USA verurteilen den Völkermord an den Armeniern - und warnen die Türkei vor dem Eingreifen im Nordirak. Das bringt die Beziehung beider Staaten auf den Tiefpunkt.
ISTANBUL taz Mit Empörung und Unverständnis haben die türkische Regierung und Staatspräsident Abdullah Gül auf die Verabschiedung einer Armenien-Resolution im außenpolitischen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses reagiert. Dieser hatte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einem Text zugestimmt, in dem die Massaker an den Armeniern in der Endphase des Osmanischen Reiches zwischen 1915 und 1917 als Völkermord verurteilt werden.
"Wir sind empört, für etwas verurteilt zu werden, was so nie passiert ist", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der türkischen Regierung. Gül nannte es unakzeptabel, dass ein so wichtiges Thema für einen innenpolitischen Kleinkrieg in den USA missbraucht werde.
Obwohl die Resolution rein akklamatorischen Charakter hat und US-Präsident Bush politisch nicht bindet, wird die jetzige Entscheidung unter türkischen Politikern bereits als eine entscheidende Niederlage in der seit Jahren andauernden Auseinandersetzung mit der armenischen Diaspora in der ganzen Welt gesehen. Nach ähnlichen Entscheidungen des Europaparlaments, der französischen Nationalversammlung sowie des russischen und schweizerischen Parlaments befürchtet man in Ankara nun, endgültig isoliert zu werden.
Obwohl es auf den Straßen angesichts der an diesem Freitag beginnenden Feiertage zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan ruhig blieb, kann die Regierung in der Armenierfrage mit breiter Unterstützung in der Bevölkerung rechnen.
Verschärfend kommt hinzu, dass die Kongressentscheidung zu einem Zeitpunkt gefallen ist, an dem sich die Beziehungen zu den USA wegen der unterschiedlichen Interessen im Nordirak einem historischen Tiefststand annähern. Die türkische Regierung und die Medien werfen den USA seit langem vor, dass diese aus Rücksicht auf ihre kurdischen Alliierten im Irak nichts gegen die Guerilla der PKK unternehmen. Diese jedoch greife aus dem Nordirak heraus Ziele in der Türkei an, erst am letzten Wochenende wurden dabei 15 Soldaten getötet. Dieser schwerste Verlust der türkischen Streitkräfte seit über zehn Jahren hat die Emotionen im Land in bislang nicht bekanntem Ausmaß hochgekocht. Die Beerdigungen von 13 Wehrpflichtigen in verschiedenen Städten gerieten jeweils zu Aufmärschen aufgebrachter Bürger, die alle die Regierung aufforderten, endlich zurückzuschlagen. Am Mittwoch organisierten rechte Parteien und patriotische Verbände dann landesweit Demonstrationen, die die größte Zeitung Hürriyet am Donnerstag als Aufschrei des Volkes emphatisch abfeierte.
Angesichts dieser Stimmung gilt als sicher, dass das Parlament, wahrscheinlich unmittelbar nach den Bayram-Feiertagen Anfang kommender Woche, einer Regierungsvorlage zustimmen wird, die die Armee ermächtigt, alle Schritte, einschließlich Grenzüberschreitungen in den Nordirak, vorzunehmen, um "dem Terror der PKK ein Ende zu setzen".
Die Armenien-Resolution der USA wird dazu führen, dass große Teile der Bevölkerung, trotz der US-Warnungen erst recht für einen Einmarsch der eigenen Truppen in den Nordirak plädieren werden. Ministerpräsident Erdogan und Staatspräsident Gül werden dabei zu Getriebenen einer Dynamik, die sie kaum noch kontrollieren können.
Obwohl beide gegen eine Militäraktion im Nordirak sind, müssen sie angesichts der unvermindert anhaltenden Angriffe der PKK - am Donnerstagabend wurde in Diyarbakir wieder ein Polizist durch eine Handgranate getötet - jetzt Entschlossenheit demonstrieren. Im besten Fall wird es so bei eher symbolischen Aktionen wie Luftangriffen auf die PKK-Camps im Nordirak bleiben. Entwickeln kann sich aber auch ein Grenzkrieg unter Einsatz tausender Soldaten.
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