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„Arme Stadt, reicheres Umland“

■ Wird Hannover durch einen überproportionalen Anteil von Sozialwohnungen zum „Ghetto“?

Hannover will als Expo-Stadt zur Jahrtausendwende der Welt ein eindrucksvolles Dokument ökologisch-sozialwirtschaftlicher Stärke Deutschlands präsentieren. Tatsächlich scheint die Region Hannover aber zum Zentrum für Sozialwohnungen zu werden. Bereits 1990 hat Walter Richter, heute beim Amt für Koordinierung und Controlling und damals noch Wohnungsamtsleiter, davor gewarnt, daß Hannover zum „Sozialghetto“ werde.

Vor gut einem Jahr faßte dessen Nachfolger, Günther Meyer, die Tendenz mit den Worten „arme Stadt, reicheres Umland“ zusammen. Auch Eckart Güldenberg, Chefplaner beim Regionalverband, hat bei der Eröffnung einer Ausstellung über Städtebau und Entwicklung auf den „überproportionalen Anteil“ an Sozialwohnungen in der Landeshauptstadt gegenüber der Region hingewiesen. Zur Abwehr dieses Trends beließ er es jedoch beim Appell an die Verantwortlichen im Landkreis, diese Entwicklung aufzuhalten. Enno Hagenah, Architekt und GABL-Ratsmitglied, befürchtet eine „latente Schlagseite“ zu Lasten der Landeshauptstadt. Er plädiert deshalb für die Einrichtung eines weiteren übergreifenden Gremiums: Ein Regionalforum mit Vertretern aus Stadt und Umland als „Neubeginn einer regionalen Kommunikationsstruktur“.

60 000 Wohnungen müssen im Großraum bis 1999 gebaut werden, soll ein Kollaps verhindert werden. Die Stadt verfügt noch über ein Flächen- und Wohnungsbaupotential (das Bauland steht also nicht in jedem Fall sofort bereit) für rund 20.500 Wohnungen, die Region für 38.000 Wohneinheiten. In Hannover zählen dazu die geplanten neuen Großsiedlungen in Bemerode, in Isernhagen-Süd, in der Nordstadt auf dem Bäte-Block an der verlängerten Weidendammtrasse, auf dem Gelände der ehemaligen britischen Kaserne Langenhagen Barracks und im Steinbruchsfeld in Misburg. Ein Großteil dieser Bauvorhaben wird die Stadt mit der kommunalen Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover (GBH) realisieren, um neue Wohnungen für Menschen mit geringen Einkünften zu bauen. Schon heute ist die GBH mit 17 000 Wohnungen die größte Wohnungsgesellschaft der Region.

Allein in diesem Jahr sollen rund 800 Sozialwohnungen entstehen. Um den städtischen Haushalt durch diese Vorhaben nicht weiter zu belasten, wird die GBH im März rund 130 Wohnungen, darunter auch einige der sogenannten Pagenhäuser in Herrenhausen, verkaufen. „Aus dem Erlös eines dieser Häuser lassen sich vier bis fünf Sozialwohnungen finanzieren“, rechnet Hagenah vor. Den gesamten Verkaufserlös müsse die GBH als Eigenkapitalanteil in die Finanzierung von Neubauprojekten einbringen. Neben der GBH, der landeseigenen Baugesellschaft NILEG und privaten Wohnungsbauunternehmen unterstützt Hagenah im Neubaugeschäft auch Selbsthilfeinitiativen nach dem Vorbild der Wohnungsgenossenschaft Nordstadt (Woge). Nach dem Vorbild von Selbsthilfeprojekten in Darmstadt plant die Woge in der Warstraße einen Neubau mit sechs Wohnungen.Das besondere: Die Woge hat keinen Pfennig Eigenkapital, diesen Betrag bringen die künftigen Mieter durch sogenannten Muskelhyptheken auf.

Jeder von ihnen muß ein Jahr lang jeden Sonnabend und für die Dauer eines Jahresurlaubes auf der Baustelle malochen. Woge, Stadt und Land realisieren mit diesem Vorhaben eine Empfehlung des Raumplaners Volker Kreibich von 1991: Kommunen sollten das Potential sozialer Bauträger zur Absicherung und Ausweitung des mittleren Marktsegments auf dem Wohnungsmarkt ausschöpfen. kk

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