Arme Ems: Oppa dat schafft? Na irgendwie!
Die Papenburger Meyer Werft überführt das größte jemals in Deutschland gebaute Passagierschiff rund 42 Kilometer durch die zu enge Ems - und killt den Fluss
Düsseldorf, Köln, Wesel und Darmstadt, die Welt trifft sich bei Frierenden. Um 13 Uhr kommt die Nachricht: Die Celebrity Soilitce (einzigartiger Sonnenuntergang) verlässt die Papenburg Meyer Werft. Auf den Deichen stemmen sich seit Stunden tausende Menschen die Beine in den Bauch.
Die Papenburger Werft, zweitgrößter Schiffsbauer Deutschlands, weltweit agierender Konzern für den Bau von Luxuskreuzfahrtschiffen zelebriert die Ausdockung seines neuesten Produktes. Die Camper, die schon seit Tagen hier sind, wissen Bescheid: "Dat kommt noch nich. Dat dauert. Wat Erwin?"
Keinem der durchnässten Deichkieker ist klar, dass sie Teil einer gigantischen Werbeveranstaltung sind.
Gespenstisch schiebt sich das Ungetüm zwischen die Deiche. Rod Steward plärrt aus den Lautsprechern des Luxusliners "Sailing", während zwei Schlepper das Schiff durch die engen Emskurven ziehen. "Ja, dat wollten wir miterleben", sagt eine Frau, ihr Mann filmt derweil das XXL-Schiff, 320 Meter lang, elf Stockwerke hoch. Der Koloss, das größte, jemals in Deutschland gebaute Passagierschiff schiebt sich durch die viel zu schmale und flache Ems.
Bei Leer passiert der Liner die Jan Berghausbrücke, die extra für diese Schiffe abgerissen und erweitert wird. "Oppa dat schafft?", fragen die Schiffsschauer. "Na. Irgendwie." Was nicht passt, wird passend gemacht. Das versprachen Ernst Albrecht (CDU), Gerhard Schröder (SPD) und Bundesverkehrsminister Tiefensee (SPD): "Bauen Sie nur ihre Schiffe, wir wollen nicht, dass sie hier weggehen." Weggehen soll Meyer gar nicht. Die Schiffe könnten in Emden zusammengeschraubt werden. Da lägen sie am tiefen Wasser, für die Ems sind sie zu groß. Meyer will nicht in die SPD-Hochburg Emden, in Papenburg wirkt dagegen die CDU. Eigentlich wäre das egal, denn kein Politiker in Niedersachsen wagt es, sich mit der Meyer Werft anzulegen.
Aktuell wird der Fluss durch ein Sperrwerk gestaut, damit die Celebrity überhaupt an die Nordsee gebracht werden kann. Der Stau in dieser Form ist eigentlich verboten. Deswegen wird jetzt eine "Probestau" veranstaltet. Der "Test" soll beweisen, dass die Ems überlebt, wenn sie länger gestaut wird als eigentlich vorgesehen.
Achim Stolz, Pressesprecher vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sagt: "Der Fluss hat genügend Sauerstoff. Aber die Auswertung unserer Daten dauert noch mindestens zwei Wochen."
Beatrice Claus vom WWF Hamburg hält dagegen: "Der NLWKN misst an den falschen Stellen und in der falschen Tiefe. Am Emsgrund sind neue, sauerstoffleere Schichten entstanden und durch die Stauungen ist die Versalzung des Flusses an einigen Stellen um das vierfache gestiegen. Durch die Stauungen wird die Ems gekillt." Genau dies sollen die Messungen der niedersächsischen Wasser- und Naturschutzbehörden widerlegen - in zwei Wochen.
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