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Argentiniens Ex-Präsident Néstor KirchnerTod eines Peronisten

Argentinien rechnete mit einer erneuten Kandidatur Néstor Kirchners bei der Präsidentschaftswahl 2011. Doch nun starb der frühere Präsident überraschend im Alter von 60 Jahren.

Der Tod trat auf der Stelle ein: Néstor Kirchner. Bild: dpa

Der frühere argentinische Präsident Néstor Kirchner ist tot. Der 60-Jährige starb am Mittwochmorgen überraschend in der Stadt El Calafate in seiner südlichen Heimatprovinz Santa Cruz nach einen Herzinfarkt. Nach Angaben der Ärzte trat der Tod auf der Stelle ein.

Kirchner war von 2003 bis 2007 Präsident, derzeit hat seine Frau Cristina das Amt inne. Mit einer erneuten Kandidatur Néstor Kirchners bei der Präsidentschaftswahl 2011 wurde gerechnet. Zuletzt war er Generalsekretär der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur).

Néstor und Cristina Fernandez lernten sich Mitte der siebziger Jahre in La Plata kennen, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires. Beide studierten Jura, 1975 heirateten sie. 1977 kam Sohn Máximo zur Welt, 1990 wurde die Tochter Florencia geboren.

Der Rechtsanwalt Néstor Carlos Kirchner begann seine berufliche Karriere in seiner Heimatstadt Río Gallegos als privater Schuldeneintreiber. Der Angstschweiß soll den Betroffenen auf der Stirn gestanden haben, wenn sie wussten, "der Kirchner kommt".

Kirchner galt als clever, verbissen und extrem misstrauisch und machtbewusst. 1987 wurde er Bürgermeister der Provinzhauptstadt Río Gallegos und 1991 erstmals Gouverneur der Provinz Santa Cruz. Dass er dort zwölf Jahre im Amt bleiben konnte, ermöglichte er mit einer umgehenden Änderung der Provinzverfassung.

Die Kasse unter Kontrolle bringen, die politische und ökonomische Macht in seiner Hand konzentrieren und die Politik auf die nächste Wahl ausrichten: das war Kirchners Rezept, ob als Bürgermeister, als Gouverneur oder ab 2003 als Präsident. Er verstand es geschickt, Familienmitglieder und Freunde auf wichtige Posten zu setzen.

Kirchner stieg zu einer zentralen Figur innerhalb des Peronismus auf, jener Mischung aus Partei und Bewegung, deren Spektrum jede politische Couleur abdeckt. Mit Kirchner war eine politische Strömung verbunden, die sich ab 2003 als Mitte-links charakterisieren lässt, aber spätestens nach den Stimmenverlusten bei den Kongresswahlen 2009 wieder zu den alten populistischen Strukturen zurückkehrte.

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7 Kommentare

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  • E
    ein-argentinier-der-deutsch-kann

    Traurig, auf welche Weise in Deutschland und überhaupt in Europa die amerikanische Realität verfälscht wird. Spanien ist da keine Ausnahme: neulich verteidigt auch El País die Interesse spanischer Investoren und Konzernen, die unseren Kontinent am liebesten weiter ausbeuten wollten, wie es einst war. Deutschland, dem Exportenriesen, ergeht es freilich nicht anders. So habe ich allmählich festgestellt, mit welchem Eifer der Sozialstaat und die Gerechtigkeit im Innland verteidigt wird, wobei Gleichgesinnte im armen Ausland als "populistisch" erwarmunglos abgetan werden - um auf diese Weise etwa Staatsstreiche zu rechtfertigen.

    Deshalb bin ich zu dieser Webseite gelangt, weil ich eine deutschsprechende Stimme finden wollte, die die Trauer des argentinischen Volkes zum Ausdruck bringt und der Bedeutung dieses Mannes gerecht wird. Was für eine jämmerliche Enttäuschung!

    Ein Geheimtipp vom Leser zum Journalisten, von einem Argentinier zu einem Deutschen: Wissen Sie, dass die Warteschlange am Donnerstag an der Casa Rosada, um den ehemaligen Präsidenten einen letzten Abschied zu erweisen, bis auf 18 Hausblöcke lang war? Jeder, der von der Bedeutung dieses Mannes etwas verstehen möchte, müsste sich (ERNST) fragen warum. Dabei werden Sie vieles erfahren, wovon hierfür vollkommen geschwiegen wird.

     

    Grüße aus Argentinien

     

    @IAdmitIAmCrazy

    1. Unter diesen Umständen wäre eigentlich keine schlechte Idee, Spanisch zu lernen.

    2. Argentinien wächst zurzeit und in den letzten Jahren zu chinesichen Raten: 8-9% jährlich.

  • D
    Daniel

    Ein Nachruf auf Kirchner, der seine Verdienste um die Menschenrechte nicht erwähnt, grenzt an Unverschämtheit.

  • I
    IAdmitIAmCrazy

    "Lesen sie El Pais oder La Jornada oder Página 12, die TAZ sollte lieber nur Artikel über Deutschland schreiben..."

     

    Vielen Dank für den Hinweis! Zweifellos ist die Berichterstattung umfassender und differenzierter. Ich finde aber nicht, dass die TAZ nur über Deutschland schreiben sollte, im Gegenteil! Es müssen ja nicht alle TAZ-Leser sämtliche Sprachen dieser Welt beherrschen, um informiert zu bleiben ....

     

    Dass Jürgen Vogt mit Wohnsitz in Buenos Aires ein doch eher einseitiges Porträt von Néstor Kirchner zeichnet, kann ich mir nur so erklären, dass - bei allen Verdiensten - Herr Kirchner kein besonderer Freund einer kritischen Presse war. Dass er sich darin nur in Graden von manchem südamerikanischen Kollegen und - wer wollte da mit Steinen werfen? - von den meisten europäischen Politikern unterscheidet, ist kein Trost.

     

    Ja, ja, ich weiß schon, Clarín, La Nación und alle anderen Kirchnerkritiker sind auch nicht gerade Waisenknaben und vertreten nicht nur blauäugig die Pressefreiheit. Dennoch sollten wir nicht der Versuchung nachgeben, nur weil uns manches an der Politik Kirchners so gefällt, manch beunruhigende Eigenschaft schlichtweg zu verschweigen.

     

    Dass Herr Vogt die Verdienste Kirchners so klein schreibt, macht dennoch traurig. War er schon am Rio de la Plata, als es hieß: "¡Que se vayan todos!" "Haut bloß alle ab!" (an die Politiker gerichtet)? Hat er vergessen, dass Kirchner zumindest die Finanzen in seiner Heimatprovinz Santa Cruz geordnet hatte? Ich gebe zu, ich weiß zuwenig über die gegenwärtige Finanzsituation, aber wenn es stimmt, dass die Schulden heute 20% des BSP betragen - ob mit oder ohne Hilfe von Hugo Chávez - so ist das doch keine Kleinigkeit. Von seinen andern Verdiensten, die andere Kommentatoren hier ausgebreitet haben ganz abgesehen. Wieviele Präsidenten in der Welt haben trotz wirtschaftlichem Aufschwung eine Misswirtschaft hinterlassen? Was hat Carlos Menem im Boom der Neunziger getrieben? Welcher argentinische Politiker unter Kirchners Kritikern wäre eine Alternative gewesen und ist es heute?

     

    Gehört das nicht auch zu einem halbwegs fairen Nachruf oder soll sein rüder Umgang mit Herrn Vogts Berufskollegen alleiniger Maßstab sein?

  • S
    stauffenberg

    Vor allem war Nestor Kirchner der Präsident, der das argentinische Militär an die kurze Leine genommen und ihm konsequent seine Rolle in einem modernen demokratischen Staat zugewiesen hat. Welche Leistung dahinter steckt erkennt man bei einem Vergleich mit Honduras oder Kolumbien.

  • DS
    David Sanchez

    Der liebe Schreiber dieses Kommentars scheint Kirchner und seine Politik nicht zu kennen. Man kann nur hoffen, dass die Leser der TAZ spanisch sprechen und nicht mit dieser merkwürdigen und nichtssagenden Meinung auskommen müssen. Kein Wort über die Beliebtheit Kirchners, kein Wort über seine Politk,des Nichtvergessens, der Bestrafung der Verbrecher der Militärdikdatur. Nur relativ merkwürdige Anekdoten, der Kirchner kommt... Trauriger Artikel. Lesen sie El Pais oder La Jornada oder Página 12, die TAZ sollte lieber nur Artikel über Deutschland schreiben...

  • S
    sagbar

    Ein - unerwartet - netter Artikel

     

    Wie traurig der Tod eines jeden Menschen auch sein mag - die TAZ scheint sich an diesem Thema den Kolumnen etablierter (und konservativer) Zeitungen anpassen zu wollen.

     

    In diesem Artikel schwingt das Mitleid mit, das nur die haben können, die der Korruption, der Bevorzugung enger Freunde ect. einen Stellenwert beimessen.

    Der Verstorbene war nach Maßgaben demokratischer Werte keineswegs ein Staatsmann, der für das Wohl aller Bürgerinnen und Bürger eiingestanden hätte.

     

    Von der TAZ hätte ich hier eine klare und unmissverständliche Sprache erwartet.

    Habe ich das erwartet? Nein, nicht mehr wirklich.

    Die Berichterstattung ist in Teilen noch unabhängig, zu vielen Teilen jedoch schon von der Schere im Kopf - und damit von Gleichschaltung - betroffen.

     

    Die TAZ nimmt leider eine ähnliche Entwicklung wie die Grünen in Hamburg: Die Überholung der FDP ist lediglich eine Frage der Zeit - und Gelegenheit.

     

    Sehr schade

     

    findet

     

    sagbar

  • ME
    manuel e.

    ein nachruf zum fremdschämen: statt anzudeuten dass er ein land stabilisierte, unabhängiger machte und die sozialsituation verbesserte usw wird ihm posthum machthunger vorgeworfen. Ich dachte bisher das sei ein qualitätsmedium.