kuckensema: auf bremens leinwand : Argentinien ist noch nicht verloren: Filme geben Anlass zur Hoffnung
Die Stimmung einer Stadt kann man sonst kaum so gut einfangen wie bei der nächtlichen Tour eines Taxifahrers. So hat Martin Scorsese eines der beklemmendsten Porträts des New York der 70er-Jahre geliefert, und so sehen wir jetzt auch das Buenos Aires von 2001 in dieser argentinischen Version von „Taxi Driver“. In beiden Filmen lauert die Gewalt an jeder Straßenecke, und „Taxi – Un encuentro“ beginnt auch gleich mit einem Überfall. Der Kleinkriminelle Esteban hält einem Taxifahrer seine Pistole unter die Nase, wirft ihn aus seinem Wagen, um dann für den Rest der Nacht dessen Arbeit zu machen. Und wenn man sieht, wie begierig er die Fahrgäste in Gespräche verwickelt, merkt man, dass es ihm dabei nicht um die paar Peso geht. Er versucht so, seine Einsamkeit zu lindern.
Die argentinische Regisseurin Gabriela David hat ihren ersten Film wie einen Thriller konstruiert. Durch eine nicht immer chronologische Abfolge der Szenen gelingt es ihr, Spannung zu erzeugen. Und wem erzählt Esteban die Geschichte dieser Nacht eigentlich auf einem Stuhl sitzend, als würde er bei einem Verhör gestehen? Die einzelnen Sequenzen sind erstaunlich ruhig, poetisch inszeniert. Oft zeigt die Kamera nur den Fahrer, seine Gäste und die nächtlichen Straßen. Wie Esteban dann schließlich doch noch zum Helden wird, wie er einer angeschossenen Frau das Leben rettet und diese ihn dann schließlich in seiner Wohnung in den Slums von Buenos Aires aufspürt, das ist raffiniert, bewegend und atmosphärisch dicht erzählt.
„Taxi – Un encuentro“ zeigt Bilder von der gesellschaftlichen Krise im heutigen Argentinien, von der Armut, der Unsicherheit aller, der zunehmenden Aggression. Aber der Film selber ist ein Indiz dafür, dass Hoffnung auf eine Zeitenwende besteht. Denn während das argentinische Kino in den 90er-Jahren völlig darniederlag, kommt jetzt eine neue Generation von RegisseurInnen mit einem sehr genauen Blick auf die soziale Realität ihres Landes.Deren Arbeiten werden inzwischen gerne auf internationalen Festivals gezeigt. Perfekte Voraussetzung für die mittlerweile sechste „kulturelle Woche“ des Bremer Instituto Cervantes: Denn ihr Thema ist Argentinien. Und im Mittelpunkt steht das Kino. Zwischen Montag und Sonntag werden im Kino 46 neben „Taxi“ noch drei weitere Filme dieser neuen argentinischen Schule gezeigt. In „Un Dia de Suerte“ von Sandra Gugliotta wandert eine junge Frau, die daheim keine Zukunft mehr für sich sieht, nach Italien aus. „Junta - Garaje Olimpo“ von Marco Bechis verarbeitet die Zeit der Militärdiktatur in einem Kammerspiel, das sich zwischen einer verhafteten Studentin und einem Verhörspezialisten entfaltet.
„La ciénga“ von Lucrecia Martel schließlich erzählt im Stil eines lateinamerikanischen Tschechow von schwülen, sich eintönig dahinschleppenden Tagen, die zwei Familien im Sommer auf dem Lande verbringen.
Und der unvermeidliche Tango? Am Sonntag Abend auf der Eröffnungsveranstaltung werden die Reden des argentinischen Generalkonsuls und Luise Scherf von live gespielten und getanzten Tangos umrahmt und danach wird dann der ultimative argentinische Schmachtfetzen „Tango Bar“ mit Carlos Gardel von 1935 gezeigt. In dem umfangreichen Programm mit Workshops, Podiumsgesprächen und Lesungen findet sich zudem am nächsten Donnerstag im Überseemuseum mit dem Vortrag „Tango & Gender“ von Magali Saikin auch noch ein akademischer Tanzabend.
Wilfried Hippen
Spieldaten und Kurzkritiken zu den einzelnen Filmen in der Kinotaz. Alle weiteren Termine im täglichen Veranstaltungskalender oder im Internet unter www.bremen.cervantes.de