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Sushi isst man selten

STREETFOOD Auf der Straße zu essen ist im ordentlichen Japan verpönt. Sein Gericht im Gehen zu vertilgen geht gar nicht. Doch es gibt Ausnahmen – wie an den mobilen Küchen in Fukuoka

Miso Ramen

Zutaten für 2 Personen:

■ 800 ml Brühe    ■ 100 g Ramen-Nudeln    ■ 100 g Chashu    ■ 4 EL Miso    ■ 1 hart gekochtes Ei    ■ 2 Nori-Streifen (getrocknete Meeresalgen)   ■ 50 g Mungbohnensprossen    ■ 1 Frühlingszwiebel    ■ 2 Zehen Knoblauch    ■ 1/4 TL Chiliflocken   ■ Öl zum BratenEi halbieren, Frühlingszwiebel in feine Ringe, Knoblauch in Würfel schneiden. Den Knoblauch in einem Topf mit Öl auf mittlerer Hitze erwärmen. Miso und Chiliflocken hinzugeben und mit der Brühe ablöschen. Kurz aufkochen.Ramen separat zubereiten, abtropfen lassen und zur Brühe hinzugeben. Durchrühren und auf die Teller verteilen. Dann mit den restlichen Zutaten garnieren.

Tipp: Die Einlagen lassen sich beliebig erweitern, wie durch Spinat oder Shiitakepilze. Fleisch lässt sich durch Tofu ersetzen, diesen sollte man jedoch vorher in etwas Hoisin-Sauce anbraten.

AUS FUKUOKA MARTIN FRITZ

Wenn der kalte Winterwind den schützenden Plastikvorhang zur Seite bläst, rücken die Gäste auf ihren niedrigen Holzhockern noch enger zusammen und wärmen sich schnell mit einem Schluck heißen Sake auf. Ihnen gegenüber wendet der Koch unterdessen auf einer Batterie von kleinen Holzkohlegrillen Spießchen mit Fleisch und Gemüse um. Dann streut er Salz darüber oder taucht sie eine süßliche Soße auf Sojabasis, bevor er sie paarweise seinen Kunden reicht. Auf diesen Yakitori-Spießen steckt nicht nur das weiße Brust- und Schenkelfleisch, sondern auch Haut, Magen, Leber, Herz und Knorpel vom Hühnchen. Vegetarier laben sich an Shiitakepilzen, dünnen Lauchstücken und grünen Sojabohnen.

Hier in der japanischen Großstadt Fukuoka auf der südlichen Hauptinsel Kyushu wird Streetfood noch wörtlich genommen. Yatai – wörtlich Ladenstand – heißen die mobilen Fressbuden, die zu jedem Wetter rund ums Jahr ab 18 Uhr entlang der Flussarme aufgebaut werden. Viele der hölzernen Stände sind auf den Stil des 18. oder 19. Jahrhunderts getrimmt. Rote Papierlaternen mit Tuscheaufschriften wie Ramen (Nudelsuppe) und Oden (Eintopf) zeigen die Spezialität der Bude an. Die intime Atmosphäre und reichlich Alkohol lassen die Gäste schnell miteinander ins Gespräch kommen. Vor allem einheimische Touristen genießen diese kulinarischen Exkurse auf den Bürgersteigen. Denn Essen auf der Straße gilt in Japan eigentlich als unfein. Gehen oder Bummeln mit Essen in der Hand geht gar nicht.

Wer also die bunten und geruchsstarken Märkte in Indien, Thailand, Vietnam oder Hongkong mag, wird in Japan enttäuscht werden. Die Stände in Fukuoka sind die Ausnahme in Japan. Klassisches Streetfood gibt es sonst nur bei Gemeinde- und Tempelfesten oder den großen Feuerwerken im Sommer.

Essen auf Festen

Auf heißen Metallplatten werden Buchweizennudeln mit Schweinefleisch und Ingwer angebraten (Yakisoba) und mit Stäbchen aus der Plastikschale verzehrt. Heiße Teigbällchen mit gehacktem Tintenfisch (Takoyaki) dampfen in Reihen von Vertiefungen gleich dutzendfach vor sich hin. Am nächsten Stand locken Pfannkuchen mit Gemüse, Fleisch- und Käsefüllung (Okonomiyaki). Die Kinder kauen niedliche Reisbällchen mit Soja- oder Zuckerüberzug (Dango) und verkleben sich die Schnuten mit bunter Zuckerwatte (Watame).

Außerhalb solcher Volksfeste nehmen sich viele Japaner ihr Essen für außer Haus als Bento mit. In den Plastikschachteln finden sich neben einer satt machenden Portion gekochtem weißen Reis ein halbes Dutzend Speisen in Kleinstmengen – zum Beispiel gerolltes Ei-Omelett, schwarze Bohnen, Schweinefleisch oder Lachs, Minitomaten und Obst. Fertig abgepackte Bento kauft man an kleinen Ständen in den unteren Etagen der Bürohochhäuser. Eine lange Schlange in der Mittagspause bedeutet: Hier wissen Stammkunden, dass der Packungsinhalt richtig lecker ist. Auch hier gilt: Verzehrt wird der Inhalt weder auf der Straße noch im Stehen. In Japan geht es beim Essen eben nicht um die schnelle Aufnahme von Kalorien.

Dennoch lassen sich genug Gelegenheiten finden, die der westlichen Vorstellung von Streetfood entgegenkommen. Auf dem beliebten Fischmarkt Tsukiji in Tokio wird der Gaumen schon frühmorgens auf Sitzbänken in einer Ladenpassage mit allerlei Meeresprodukten verwöhnt. Arbeiter wie Touristen essen hier Nigiri Sushi – ein Stück rohes Fisch- oder Muschelfilet auf gesäuertem Reis –, so wie dieses Gericht schon im 18. Jahrhundert im Tokio-Vorläufer Edo konsumiert wurde. Man tunkt übrigens nicht den Reis, sondern die Fischseite in die Sojasoße.

In Japan geht es beim Essen eben nicht um die schnelle Aufnahme von Kalorien

Sushi essen die Japaner aber eher selten. Populärer sind die Ramen genannten Nudelsuppen chinesischen Ursprungs auf Basis einer Soja- oder Miso-Brühe, die man rings um jeden Bahnhof findet. Der Kenner schlürft die Nudeln schnell und laut, weil das Einziehen der Luft den Geschmack verstärken soll.

Westliche Reiseführer schicken ihre Leser in Tokio in die Omoide Yokocho nördlich des Bahnhofs Shinjuku. In den engen Straßen drängen sich achtzig winzige Restaurants mit nur wenigen Plätzen. Zum frisch gezapften Bier gibt es die üblichen Kneipensnacks. Ihr Spitzname: die „Pissgassen“. Angeblich erleichterten sich hier während des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg betrunkene Gäste mitten auf der Straße. Aber zu den Zeiten roch es in ganz Tokio nicht appetitlich. Weniger als die Hälfte der Wohnungen hatte ein Wasserklosett, die Fäkalien wurden abgeholt. Wie aus dieser Zeit wirken heute noch die kleinen Pritschenwagen mit einem Ofen samt Schornstein.

Ihre Besitzer fahren durch Wohnviertel oder stehen an belebten Kreuzungen und lassen über ein Megafon den lang gezogenen Ruf „yaki-imo, yaki-imo“ erschallen. Diese auf Stein gegrillten Süßkartoffeln mit violetter Schale haben in der japanischen Küche einen historischen Platz: Die Früchte dieser Kletterpflanze, die mit unserer Kartoffel kaum verwandt ist, retteten vielen Japaner bei einer Hungersnot in der Mitte des 18. Jahrhunderts das Leben. Aber auch Yakiimo werden auf der Straße nur gekauft und nicht gegessen. So viel Disziplin muss sein.

Die Essecke: Unsere KorrespondentInnen erzählen hier jeden Monat, was man in ihren Ländern auf der Straße isst. Außerdem im Wechsel: Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche. Köchin Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte. Und Autor Philipp Maußhardt schreibt über seinen offenen Sonntagstisch

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