piwik no script img

Polizei als Gentrifizierungshelfer

REPRESSION Die Polizei hat ihre Kontrollen auf dem Hansaplatz in St. Georg verstärkt und nimmt vor allem Ausländer ins Visier. Aber auch Obdachlose passen nicht ins Ambiente

Der Hansaplatz

Der Hansaplatz mit seinem 17 Meter hohen Brunnen in der Mitte ist zentraler Treffpunkt in St. Georg und durch seine Nähe zum Bahnhof auch Hochburg für Drogenhandel und Straßenprostitution:

■ Als Geheimtipp für Immobilienspekulanten gilt das Quartier seit Ende der 80er-Jahre.

■ Eine Sperrgebietsverordnung für Prostituierte besteht seit 1980, wird aber erst seit 2012 massiv verfolgt. Ebenfalls 2012 kam ein Kontaktverbot für Freier dazu.

■ Als Treff für Drogendealer galt der Hansaplatz Anfang der 90er-Jahre. Durch massive Polizeieinsätze wurde die Szene in andere Regionen verdrängt.

■ Zum verkehrsfreien Platz wurde der Hansaplatz 2012 umgebaut und es siedelte sich auch recht hochpreisige Gastronomie an.

VON KAI VON APPEN

Dem aufgehübschten Hansaplatz steht offenbar eine erneute Verdrängungsoffensive bevor: Am Mittwochvormittag hatten sich Gewerbetreibende und Immobilienbesitzer demonstrativ an einem Tisch am Brunnen getroffen, wo seit einigen Wochen mittwochs ein Wochenmarkt stattfindet. Am Abend wollte dann das 4. Forum Hansaplatz ein Maßnahmenpaket beraten. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Polizeipräsenz noch weiter zu erhöhen. Die Beamten sollen verstärkt Obdachlose und Trinker kontrollieren und Prostitution und Drogenhandel weiter eindämmen, so ihr Wunsch.

Den Startschuss für diese neue Betriebsamkeit gab der Artikel des Hamburger Abendblattes „Auf dem Hansa Platz regiert die Angst“ vom vergangenen Freitag. Tags darauf sah sich die Polizei genötigt, durch uniformierte Kräfte der Bereitschaftspolizei Personenkontrollen auf dem Hansaplatz durchzuführen. Einige Polizisten hätten explizit angegeben, dass diese Kontrollen eine Reaktion auf den Zeitungsartikel gewesen sei, sagt Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg.

„Es war schönes Wetter und es saßen viele Touristen an den Tischen“, sagt Mehmet Simsit, der die Kneipe Hansa-Treff am Hansaplatz betreibt. Einige seiner Gäste seien von Polizisten provokativ kontrolliert und Frauen als vermeintliche Prostituierte schikaniert worden. Von ihm hatten Polizisten verlangt, er solle seine Konzession für die Außengastronomie vorlegen. Andere Gastronomiebetreiber rund um den Hansaplatz seien unbehelligt geblieben. Als Simsit seine Konzession nicht sofort parat hatte, sei er von Polizisten aufgefordert worden, die Tische reinzuholen. „Ich habe denen dann gesagt: Das mache ich nicht, sie sollen doch im Revier anrufen, denn ganz Hamburg weiß, dass ich eine habe.“

Damit dürfte er Recht haben, denn um seine Konzession hatte es bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts 2012 einen fast eineinhalbjährigen, öffentlich ausgetragenen Streit gegeben. Der damalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD), der heute Simsits Nachbar ist und als Prokurist und Projektentwickler von Luxuswohnungen in St. Georg für eine Immobilienfirma arbeitet, hatte ihm die Erlaubnis für den Betrieb einer Sommerterrasse verweigert. Simsits Kneipe passe nicht ins Ambiente des aufgepeppten Hansaplatzes.

Seit dem Wochenende kontrollieren Polizisten täglich rund um den Hansaplatz vor allem Ausländer. „Jeder Ausländer wird von fünf bis sechs Polizisten umringt und dann werden die Taschen durchsucht“, sagt Simsit. Am Dienstag hatten die Polizisten Mannschaftsbusse direkt vor dem Hansa-Treff abgestellt. „Ich habe mich auf dem Revier beschwert, doch es hat lange gedauert, bis die Busse weggefahren wurden, weil angeblich die Schlüssel nicht zu finden waren.“

Miachel Joho hält diese Polizeieinsätze für völlig überzogen. Er befürchtet allerdings, dass es der Interessengemeinschaft Steindamm und der Anwohnerinitiative St. Georg, die im vergangenen Jahr einen privaten Sicherheitsdienst zur Vertreibung der Obdachlosen anheuern wollten, gelingt, das Quartier umzuwandeln – in einen als Business Improvement District.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen