: „Basis schreibt das Programm“
PARTEI Die Genossen sollen sagen, mit welchen Themen die SPD 2016 in den Wahlkampf zieht. Ihre Entscheidung sei verbindlich, sagt Landeschef Stöß
■ 41, ist Jurist und Landeschef der SPD. Er wollte Kandidat für den Posten des Regierenden Bürgermeisters werden, unterlag im Mitgliederentscheid aber Michael Müller.
INTERVIEW ANTJE LANG-LENDORFF
taz: Herr Stöß, die SPD will ihre Mitglieder über das Programm für die Abgeordnetenhauswahl 2016 mitentscheiden lassen. Heute gibt es eine erste Konferenz. Um was geht’s?
Jan Stöß: Wir haben uns vorgenommen, in fünf großen Konferenzen die zentralen Themen zu behandeln, die in der Stadt eine große Rolle spielen und die wir im Wahlkampf aufgreifen wollen. Den Auftakt heute machen Integration und Aufstieg, das Zusammenleben in der Stadtgesellschaft. Später geht es dann auch um Soziales, Innen- und Rechtspolitik, Wohnungsbau, Bildung und Wissenschaft sowie Wirtschaft und Arbeit.
Das klingt doch eher allgemein. Meinen Sie wirklich, dass Sie mit diesen Schlagworten die Genossen hinter dem Ofen vorlocken?
Ich glaube schon, dass die Themen bezahlbarer Wohnraum, aber auch Integration oder die Sicherheit im öffentlichen Raum unsere Mitglieder sehr interessieren. Uns geht es darum, alle Themen, die für das Leben in der Stadt bedeutsam sind, mit der Basis zu diskutieren. Wir machen eben keine Schaufensterpolitik wie die CDU, die nur die Fragen zur Diskussion stellt, bei denen sie sich am liebsten selber wegducken will.
Die CDU befragt ihre Mitglieder, wie sie zur Homo-Ehe stehen und macht damit doch nichts anderes als Sie: Die Parteiführung richtet ihre Position an der Basis aus.
Aber wir machen keine Ein-Thema-Befragung. Die Mitglieder sollen sich zu allen Kernaussagen äußern. Bei uns schreibt die Basis das Wahlprogramm. Es ist auch nicht erkennbar, für welche Position sich die CDU-Parteiführung bei der Homo-Ehe einsetzt. Mitgliederdemokratie heißt aber nicht, dass die, die Verantwortung tragen, plötzlich verstummen.
Das heißt: Sie gehen mit einer klaren Position in die Debatte und schauen dann, wie das ankommt?
Selbstverständlich, eine Mitgliederbefragung darf ja keine Entpolitisierung bedeuten. Zu einer lebendigen Debatte gehören unterschiedliche Positionen dazu.
Was werden die strittigsten Punkte sein?
Da will ich dem Prozess nicht vorgreifen. Aber die Themen, die in der Stadt eine große Rolle spielen, werden auch in der Partei kontrovers diskutiert werden – zum Beispiel, wie wir noch stärker bezahlbare Wohnungen schaffen können. Wir sprechen nicht über Symbolthemen, bei der Befragung geht es ums Eingemachte: Was nimmt sich die SPD für die nächste Legislaturperiode 2016 bis 2021 vor?
Um Symbolthemen geht es aber auch, zum Beispiel um die Legalisierung von Cannabis.
Stimmt, wir werden auch über die Legalisierung von Cannabis diskutieren, aber das ist keine Symbolpolitik. Schließlich kann Berlin im Bundesrat Position beziehen.
Wird die Homo-Ehe ein Thema sein?
Da ist die Position der SPD einhellig und klar: Wir wollen eine volle Gleichstellung ohne irgendwelche Abstriche. Darüber müssen wir nicht diskutieren.
JAN STÖSS, SPD-LANDESCHEF
Was steht am Ende der vielen Debatten?
Zum einen wollen wir 15 Kernforderungen den Mitgliedern im Herbst zur Abstimmung vorlegen. Da können die Genossen ankreuzen, ob ein Thema für sie wichtig ist oder nicht so wichtig. Es geht dabei um die Prioritätensetzung im Wahlkampf. Zum anderen dienen die Diskussionen der Vorbereitungen für das eigentliche Wahlprogramm, das natürlich ausführlicher sein wird als die 15 Kernthesen.
Das klingt eher unverbindlich.
Im Gegenteil. Das Neue ist ja eben, dass die über 17.000 Mitglieder über die Kernforderungen abstimmen, dass es eine verbindliche Entscheidung der Basis gibt und nicht nur einen unverbindlichen Dialogprozess.
Was erhoffen Sie sich davon, alle Ihre Parteimitglieder einzubeziehen?
Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Bei der Abstimmung, wer Regierender Bürgermeister werden soll, haben sich sehr viele SozialdemokratInnen beteiligt und wir haben 250 Mitglieder gewonnen, die auch dabei geblieben sind. Wenn die Berlinerinnen und Berliner sehen, sie können wirklich mitentscheiden, macht das die Mitarbeit in einer Partei attraktiv.
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