piwik no script img

Simulation eines Eingreifens

PANTOMIMEN BEI DER PARTY

Vielleicht hilft so eine Simulation sogar. Auch Homöopathie wirkt ja bei manchen

Wenn man an der roten Ampel steht und dann trotz Rot gerade über die Straße will, weil da ja gar kein Auto kommt, aber man aus den Augenwinkeln noch ein Kind sieht, das da gleichfalls wartet – dann bleibt man halt auch stehen. Manchmal wenigstens.

Weil: Die Welt braucht Vorbilder, denkt man besorgt.

Und: dass sie schon sorglos genug ist, diese Welt. Zum Beispiel in Friedrichshain-Kreuzberg, entlang der Simon-Dach-Straße, rund um die Oberbaumbrücke, an der Schlesischen Straße. Wo halt was los ist in der Nacht, wo die Party gemacht wird. Und wo es dann eben etwas lauter wird, wo Dreck anfällt, manche sogar in den nächsten Hauseingang pinkeln. Solche Sachen eben, die nicht allen Anwohnern gefallen.

Da musste man also was machen. Vergangenes Wochenende hat man damit angefangen. Damit man die Vorbilder, die diese Welt zu brauchen scheint, auch gleich erkennt, sind sie weiß geschminkt. Nun mischen sich an den Wochenenden hier Pantomimen und Mediatoren unters amüsierwillige Volk, zur Party-Prime-Time zwischen 22 und 4 Uhr nachts, um es für die Probleme zu sensibilisieren. Fair.kiez nennt sich das Pilotprojekt, bis Mitte Juli soll es erst mal dauern, etwa 100.000 Euro kostet das Joint Venture von Clubbetreibern, Gastronomen und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Diese Charmeoffensive solle das Problem, sagt Lutz Leichsenring von der Clubcommission, auf eine „Berliner Art und Weise“ lösen. Und da steckt durchaus Mumm in dem Satz. Wenn man nämlich die Pantomime als die große Kunst des Als-ob, der Simulation, vor Augen hat, liegt der Gedanke nahe, es hier mit einer schön geschminkten Simulation einer wirklich eingreifenden Politik zu tun zu haben.

Aber vielleicht hilft so eine Simulation ja sogar. Auch die Homöopathie scheint bei manchen doch zu wirken.

Ein Berliner Erfolg könnte es sein, wenn das Spektakel mit den Pantomimen noch mehr Schaulustige in den Kiez locken würde, ein Mehr an Amüsierwilligen, das wieder etwas mehr Lärm und Dreck und so macht, worauf dann wieder noch mehr Pantomimen aufmerksam machen müssen … die hiesigen Schauspielschulen sollten vielleicht schon mal darüber nachdenken, das Pantomimenangebot auszubauen. THOMAS MAUCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen