DIE GESELLSCHAFTSKRITIK: Der Conchita-Wurst-Effekt
WAS SAGT UNS DAS? In Wien wird das Ampelmännchen durch Paare ersetzt
Nein, da wurde fast niemand mitgenommen und abgeholt, die Vizebürgermeisterin ölte nicht von „Kommunikation auf Augenhöhe“ mit dem Wiener Volk: Montag, faktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, waren 49 Verkehrsampeln in Wien an prominenten Straßenübergängen plötzlich anders.
Nicht mehr ein Männchen wird gezeigt, wenn das Signal auf Grün oder Rot schaltet – sondern Paare. Genauer gesagt: drei Paarmöglichkeiten aus Zwei-Mensch-Kombinationen. Einmal ein mann-weibliches Paar (der heteronormative Klassiker sozusagen), aber auch ein schwules und ein lesbisches Paar.
Federführend für dieses Projekt ist die Grüne Maria Vassilakou im Wiener Stadtparlament. Die war vor einigen Monaten in Australien zu einer Fußgängerkonferenz und erfuhr, dass es in Wellington, Neuseeland, einen Verkehrsampelversuch gab, der das auch dort übliche Männchen nicht ersetzte, aber durch ein Weibchen ergänzte. Die Absicht war keine genderpolitische, sondern, die Sicherheit an Straßenübergängen zu erhöhen.
In Wellington war es nur ein Akzent – immerhin –, doch in Wien war man noch vollkommen überwältigt von Conchita Wurst, von ihrem Sieg beim ESC und vom Gefühl, in ihr dem Publikum noch andere Wirklichkeiten anbieten zu können: Man ersetzte die Männchen durch Paare – und bei genauem Blick fällt auf, dass zwischen allen Paaren je ein Pünktchen sichtbar wird, von Nahem erkennt man ein – Herz.
Berlin hatte neulich keinen Mut, seine Verkehrslichtzeichen umzustylen: Schon das Wellingtoner Modell führte zu brüsken Protesten. Aber Deutschland hat ja auch keine Conchita Wurst hervorgebracht, insofern ist Berlin da kein Vorwurf zu machen.JAN FEDDERSEN, WIEN
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