OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Ich muss Whisky trinken und Hosen tragen und dummen Frauen was Liebes sagen“, sang einst Renate Müller in „Viktor und Viktoria“ als Schauspielerin, die einen Mann spielt, der eine Frau verkörpert. Als Reinhold Schünzels freche Komödie Ende 1933 die Kinos im faschistischen Deutschland erreichte, hatte das Spiel um die Verwirrung der Geschlechter durchaus etwas Subversives. Blake Edwards’ Remake des Stoffes huldigt eher dem Zeitgeist: In der Nachfolge der erfolgreichen „Ein Käfig voller Narren“-Filme werden in „Victor/Victoria“ (1982) sexuelle Dinge erheblich expliziter behandelt als seinerzeit im Original: Wenn Robert Preston als Victorias schwuler Mentor ein Lied vom „Gay Paris“ singt, dann ist damit nicht unbedingt das „fröhliche“ Paris eines Maurice Chevalier gemeint. Und dass James Garner gar mit Potenzproblemen kämpfen muss, weil ihn der vermeintliche „Victor“ so verwirrt hat, wäre Adolf Wohlbrück auch kaum passiert. Vor allem aber ist „Victor/Victoria“ mit seinen plüschigen Dekors, den Flitterkostümen und den Songs von Henry Mancini eine große Bühne für die Show-Talente von Julie Andrews, die unter der Regie ihres Gatten erfolgreich gegen ihr Mary-Poppins-Image anspielt. (29. 12., Kurbel)
Seltsam, warum manche Filme nicht gut ankommen. Geschäftlich betrachtet war etwa Andreas Dresens letzter (schöner) Film „Whisky mit Wodka“ ein Flop. Lag es daran, dass es für seine Filme inzwischen eine Klientel gibt, die von Dresen einfach immer das Gleiche (also eher intime Beziehungstragikomödien) erwartet? Denn „Whisky mit Wodka“ ist zweifellos anders: eine Film-im-Film-Geschichte mit hinreißender Lust am Fabulieren. Henry Hübchen spielt den Filmstar Otto Kullberg, dem – weil er deutlich zu viel trinkt – die Produktionsfirma den jüngeren Arno Runge (Markus Hering) als Ersatzschauspieler am Set vor die Nase setzt. Fortan werden Ottos Szenen noch einmal mit Arno gedreht, für den Fall der Fälle. Irgendwie reißt sich Otto, der weder sein Alter noch sein Alkoholproblem so recht wahrhaben will, nun zusammen, aber demütigend ist die Situation für beide Männer. Die ganze Geschichte zeigt einmal mehr die Brillanz und die Menschenkenntnis des mittlerweile 78-jährigen Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase, den die Berlinale im kommenden Jahr zu Recht mit einem goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk auszeichnen wird: Szenen und Dialoge sprühen vor Witz, wirken zugleich anrührend und balancieren stets haarscharf am Abgrund zur Tragik vorbei. (28.–30. 12., Babylon Mitte)
Makabres zum Jahresende: Einmal mehr betätigen sich Alec Guinness und Peter Sellers in der schwarzen Krimikomödie „Ladykillers“ (1955) als ebensolche, oder besser gesagt, sie versuchen es. Doch bei den diversen Anläufen der Gangster, eine ebenso harmlose wie nervtötende alte Dame ins Jenseits zu befördern, räumen sie sich nur gegenseitig aus dem Weg. Die wahre Komödie entstehe eben immer dann, wenn man mit Dingen spaßt, die eigentlich tödlich ernst seien, meinte dazu der Regisseur Alexander Mackendrick. (OmU, 30. 12., Lichtblick) LARS PENNING
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